Haftung der Eltern für und gegenüber den eigenen Kindern

10.05.2021 – 19:15 Uhr

Die Haftung der Eltern entscheidet sich an der Frage des Vorliegens einer Aufsichtspflichtverletzung

Jeder kennt das Schild mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“. Aber stimmt das tatsächlich? Antwort: So pauschal ist das nicht richtig. Worum geht es? Im Grundsatz haftet jeder nur für eigenes Verschulden. Es sei denn, es liegt eine Sondersituation vor.

Kinder haften bis zu ihrem siebten Geburtstag gar nicht für Schäden, die sie anderen zufügen. Wer das siebte, nicht aber das zehnte Lebensjahr vollendet hat, haftet grundsätzlich zwar selbst für sein Verschulden, nicht aber bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, Schienen- oder Schwebebahnen. Ist der Minderjährige zwischen 10 und 18 Jahre alt, haftet er im Zweifel unbeschränkt. Kinder und Jugendliche haben aber meist kein hinreichendes Kapital um ggf. bestehende Schadensersatzansprüche zu erfüllen.

Daher liegt es im Zweifel im Interesse des Geschädigten, auf das Vermögen der Eltern zugreifen zu können. Wie ausgeführt, haftet aber zunächst nur der Minderjährige persönlich. Doch es kann auch eine Haftung für Dritte (fremdes Verschulden) geben.

Haftung für fremdes Verschulden:

Nach § 278 BGB zum Bespiel haftet man für das Verschulden eines sog. Erfüllungsgehilfen, dem man sich zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit bedient hat, in gleichem Umfang wie eigenes Verschulden. Betreibt man also ein Geschäft und ein Angestellter verursacht in Ausübung seiner Arbeit einen Schaden bei einem Kunden, haftet der Geschäftsinhaber, als hätte er den Schaden selbst verursacht.  Ähnliches gilt nach § 831 BGB für deliktische Schäden (sog. Haftung für Verrichtungsgehilfen).

Doch dies nur zur Einordnung des eigentlichen Themas, nämlich der Haftung der Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Auch hier gilt derselbe Grundsatz, nämlich, dass man grundsätzlich nur für eigenes Verschulden haftet. Eine Sonderregelung für die Haftung der Eltern für das Verschulden ihrer Kinder sucht man im Gesetz jedoch vergeblich. Dies bedeutet, dass die Eltern eben nicht für (fremdes) Verschulden ihrer Kinder haften.

VORSICHT: Dies bedeutet aber nicht, dass die Eltern nicht doch im Zusammenhang mit Schäden haften können, die ihre Kinder verursacht, oder die die Kinder ggf. erlitten haben.

Haftung der Eltern für ihre Kinder:

Eltern können nämlich nach wie vor für eigenes Verschulden haften. Eigenes Verschulden der Eltern kann sich insbesondere aus einer Aufsichtspflichtverletzung gegenüber ihren Kindern ergeben.

Je jünger die Kinder sind, desto mehr Aufsicht benötigen sie. So weit so bekannt. Je älter die Kinder, desto mehr Eigenverantwortung kann und darf man ihnen zutrauen, ohne dass man direkt seine elterliche Aufsichtspflicht verletzt. Nehmen wir nochmal unser Beispiel mit dem an jeder Baustelle aufzufindenden Schild „Eltern haften für ihre Kinder“. Bei einem 3-jährigen Kind ist das Schild uneingeschränkt richtig, denn ein 3-jähriges Kind darf nirgends ohne Aufsicht hin und muss ständig an der Hand gehalten/überwacht werden. Insbesondere natürlich auch auf einer Baustelle. Anders z.B. bei einer 16-jährigen Jugendlichen. Ein Jugendlicher bewegt sich (jedenfalls tagsüber) völlig legitim ohne jede Aufsichtsperson umher. Hier beschränkt sich die Aufsichtspflicht der Eltern eher nur auf allgemeine Weisungen im Vorfeld, soweit ein Anlass für eine solche Ermahnung gegeben sein sollte.

So sind stets feine Abstufungen mit Blick auf das Alter der Kinder und Jugendlichen zu beachten. Ab einem gewissen Alter kommt es stets auch zusätzlich auf die Fähigkeiten und den Charakter des konkreten Minderjährigen an. „Vernünftigeren“ Minderjährigen kann insoweit mehr zugetraut werden, als den übrigen.

Neben dem Fall, bei dem die Eltern für die Kinder haften, kann es jedoch auch den Fall geben, dass die Eltern gegenüber ihren Kindern haften.

Haftung der Eltern gegenüber ihren Kindern:

§ 1664 BGB begründet bei einer Aufsichtspflichtverletzung einen Anspruch des Kindes gegen die Eltern. Aufsichtspflichtige dürfen Kinder ohne ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein keinen Freiraum geben, es sei denn eine ständige Kontrolle ist gewährleistet. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18.

Die Eltern besuchten mit ihrem 3-jährigen Kind ein Pferdeturnier. Während die Eltern sich am Biertisch unterhielten, kletterte das Kind in eine Pferdebox und wurde von einem Pferdehuf am Kopf getroffen. Zunächst zahlte zwar die Tierhalter-Haftpflichtversicherung des Pferdehalters, da der Tierhalter für durch sein Tier hervorgerufene Schäden grundsätzlich verschuldensunabhängig haftet. Doch die erhebliche Mitschuld der Eltern an dem Unfall führte dazu, dass die Eltern den Pferdehalter, den Turnierveranstalter und auch den entsprechenden Versicherer von jeglicher Haftung freizustellen hatte und die vom Versicherer bereits gezahlten Beträge von den Eltern zu erstatten waren. Insofern führte die Haftung der Eltern gegenüber dem eigenen Kind mittelbar dazu, dass sie sämtliche Kosten des Unfalles selbst zahlen mussten.

Fazit:

Eltern haften nicht pauschal und in jedem Fall für Schäden, die ihre Kinder verursacht haben. Im Gegenteil. Falls sie haften, ist der Anknüpfungspunkt der Haftung jedoch stets nur die eigene Aufsichtspflichtverletzung.

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