26.04.2021 – 10:00 Uhr
Wird ein Vertrag zwischen den Parteien einvernehmlich nur zum Schein abgeschlossen, z.B. um das eigentlich gewollte zu verschleiern, ist der Vertrag insgesamt und von Anfang an nichtig.
Sind sich alle Parteien eines Vertrages einig, dass der Vertrag nur zum Schein („offiziell“) abgeschlossen wird, eigentlich („inoffiziell“) aber etwas Anderes gewollt ist, ist der Vertrag ungültig. So regelt es § 117 BGB. Das heißt, dass man aus einem solchen Vertrag keine Rechte ableiten und entsprechend nicht erfolgreich vor Gericht einklagen kann.
Neue Rechtsprechung des BAG:
So hat es jüngst erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 14.10.2020 – 5 AZR 409/19) entschieden. Dort hatte das Gericht über einen Arbeitsvertrag zu entscheiden, der zwischen einer GmbH und einer „Angestellten“ geschlossen worden war. Die GmbH hatte zwei Gesellschafter, nämlich einen Vater und seinen Sohn. Bei der „Angestellten“ mit der diese GmbH den Arbeitsvertrag geschlossen hatte, handelte es sich um die Ehefrau bzw. Mutter der beiden GmbH-Gesellschafter. Der Vertrag war hier nur „pro forma“, „offiziell“ geschlossen worden, um Geld aus der GmbH an die Ehefrau und Mutter auszahlen zu können, ohne dass hierfür tatsächlich jemals eine Arbeitsleistung versprochen oder gefordert worden wäre. Entsprechend der oben beschriebenen Gesetzeslage stellte das BAG fest, dass der Arbeitsvertrag von Beginn an nichtig und unwirksam war.
Dies war nur aufgefallen, da die Ehefrau („Angestellte“) nach Veräußerung der GmbH an einen Dritten tatsächlich versuchte, offene „Arbeitslohnforderungen“ gegen die GmbH einzuklagen. Auf Grund der anfänglichen Nichtigkeit des Vertrages ohne Erfolg.
Die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages hat rechtlich nicht nur die Folge, dass die Ehefrau keinen weiteren Zahlungsanspruch hat. Die Folgen sind viel gravierender. Dadurch, dass nie ein Rechtsgrund für die Zahlung bestand, hat die GmbH – vorbehaltlich etwaig eingetretener Verjährung – einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich aller Beträge, die jemals auf Grund dieses nichtigen Vertrages ausgezahlt wurden. Auch hätte die GmbH den Arbeitslohn nie als Betriebsausgaben von dem zu versteuernden Gewinn absetzen dürfen. Es besteht daher die Gefahr einer Steuernachzahlungspflicht der GmbH. Ggf. sind sogar strafrechtliche Folgen (insb. wegen Steuerhinterziehung, Betrug) zu prüfen.
Ständige Rechtsprechung:
Zu Scheinverträgen existiert eine gefestigte Rechtsprechung. Ein üblicher Fall in diesem Zusammenhang ist beim Grundstückserwerb zu finden. Bekanntlich ist beim Erwerb eines Grundstückes grds. (jedenfalls bei Verträgen zwischen fremden Dritten) eine Grunderwerbssteuer zu zahlen. Die Höhe der Grunderwerbssteuer richtet sich nach der Höhe des Kaufpreises.
Nun hatten „erfinderische“ Menschen eine (nicht zu empfehlende) Idee, Grunderwerbssteuer zu „sparen“, indem sie im (für Grundstücksgeschäfte erforderlichen) notariellen Kaufvertrag einen geringeren Kaufpreis angaben, als den Kaufpreis, den die Parteien eigentlich untereinander (im Geheimen) vereinbart hatten. Die Differenz zwischen „offiziellem“ und „inoffiziellen“ Kaufpreis wurde sodann (unabhängig vom Notarvertrag) zusätzlich gezahlt.
Nur um dies ganz klar zu stellen, ist die im vorigen Absatz beschriebene Vorgehensweise zunächst einmal als (jedenfalls versuchter) Steuerbetrug strafbar! Entsprechend sollte schon deshalb dringend von diesem Vorgehen abgeraten werden!
Unabhängig davon hat dieses Vorgehen aber auch zusätzlich andere erhebliche nachteilige Folgen mit Blick auf das Scheingeschäft und die Wirksamkeit der Grundstücksübertragung:
Denn der notarielle Grundstückskaufvertrag ist mit Blick auf § 117 BGB als Scheingeschäft nichtig, da das Geschäft gemäß dem übereinstimmenden Willen der Parteien so (mit dem geringen Kaufpreis) gar nicht abgeschlossen werden sollte. Der Notarvertrag ist also nichtig. Die eigentliche Vereinbarung der Parteien (Grundstückserwerb zum höheren Kaufpreis) ist aber ebenfalls (form)nichtig, denn diese wurde nicht mit der gesetzlich vorgeschriebenen (notariellen) Form geschlossen.
Dies hat (neben der Strafbarkeit wegen Steuerbetruges) ebenfalls weitreichende zivilrechtliche Folgen, denn das Eigentum am Grundstück ist nicht auf den Erwerber übergegangen, selbst wenn der Erwerber im Grundbuch eingetragen worden sein sollte (falsches Grundbuch). Ein falsches Grundbuch birgt u.a. die Gefahr, dass der fälschlich als Eigentümer Eingetragene das Grundstück wirksam auf einen gutgläubigen Dritten übertragen kann. Das Grundstück ist also ggf. für den ursprünglichen Eigentümer für immer verloren, ohne dass er hierfür eine Gegenleistung erhalten hat. Denn den Kaufpreis aus dem nichtigen notariellen Vertrag kann er nicht verlangen. Er hat zwar ggf. einen Schadenersatzanspruch gegen den ersten „Käufer und Wiederverkäufer“, trägt jedoch dessen volles Insolvenzrisiko. Hat der „Käufer und Wiederverkäufer“ kein Geld, hat der ursprüngliche Eigentümer das Grundstück ohne Gegenleistung verloren.
Fazit:
Mit der Nichtigkeit von Scheingeschäften ist nicht zu spaßen, denn sie kann ggf. verheerende Folgen für alle Beteiligten haben. Je länger solche Verträge (scheinbar) bestehen, desto höher sind die Risiken, die von ihnen ausgehen. Dies kann bis zu existenzgefährdenden Haftungsansprüchen reichen, weshalb der bewusste Abschluss von Scheingeschäften auf keinen Fall zu empfehlen ist.