Vorsicht beim Vertrauen auf Versprechungen

25.08.2021 – 20:45 Uhr

„unvollkommene Verbindlichkeiten“ und ungeahnte Formvorschriften

Einleitung:

Ein juristischer Grundsatz lautet „Pacta sunt servanda“ (lat.). Wörtlich übersetzt heißt er so viel wie „Verträge sind einzuhalten“. Der Grundsatz betrifft also die Vertragstreuepflicht. Vereinfacht kann man auch sagen „was ich verspreche, muss ich auch halten“. Verträge sind nichts anderes, als (meist wechselseitige) Versprechen.

Das Rechtssystem gibt jedem Einzelnen grundsätzlich die Möglichkeit, seine aus solchen Verträgen entstandenen Ansprüche auch degenüber dem Vertragspartner durchzusetzen, also (notfalls gerichtlich) dafür zu sorgen, dass das Gegenüber seine Versprechungen auch einhält. Wird das Gegenüber vertragsbrüchig, hält es sich also nicht an die Vereinbarung, hat der Anspruchsinhaber zunächst die Möglichkeit, die Vertragserfüllung, oder alternativ den Ersatz des durch die Vertragspflichtverletzung entstanden Schaden vom Vertragsbrüchigen zu verlangen.

Doch manche Ansprüche kann man eben nicht gerichtlich durchsetzen. An dieser Stelle sind gerade nicht diejenigen Fallkonstellationen gemeint, bei denen die Durchsetzung des Anspruchs wegen anderer Gründe scheitert – wie z.B. Verjährung des Anspruches, oder der schlichten Tatsache, dass der Anspruchsgegner kein Geld hat und man „einem nackten Mann schwerlich in die Tasche greifen kann“. Diese Fälle sind hier nicht Thema.

Mit diesem Beitrag sollen vielmehr die Fälle in den Blick genommen werden, in denen bereits von Gesetzes wegen schon kein durchsetzbarer Anspruch entsteht, auch wenn sich die Vertragsparteien über alle wesentlichen Vertragsinhalte geeinigt haben. Beispielhaft sind hier insbesondere das reine Schenkungsversprechen, Glücksspielverträge, die Verlobung (als Eingehen eines Eheversprechens), die Heiratsvermittlung, formlose Grundstücksgeschäfte sowie die Verfügung über eigenes Vermögen eines Ehegatten zu nennen.

Einzelfälle:

1. Schenkungsversprechen, §§ 516, 518 BGB

Schenkungen sind ganz alltägliche Rechtsgeschäfte. Klassisch werden diese an Geburtstagen, Weihnachten, Hochzeiten, usw. verteilt. Auch wenn man jemandem ein Taschentuch, einen Kaugummi oder eine Zigarette anbietet, ist das genauso eine Schenkung, wie wenn der Vater seiner Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Aktien-Depot zuwendet.

Doch die meisten sind erstaunt, wenn sie erfahren, dass Schenkungen eigentlich formbedürftig sind. Und nein, Schriftform reicht nicht aus. Schenkungen müssen nach § 518 BGB grundsätzlich notariell beurkundet werden. Dies dürfte den meisten juristischen Laien nicht bewusst sein. Unter dem Christbaum und bei sonstigen ähnlichen Gelegenheiten führt die fehlende notarielle Beurkundung auch nur deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Schenkung, weil es sich hier um sog. „Handschenkungen“ handelt, bei denen das Schenkungsversprechen sofort erfüllt wird. Vor der Erfüllung sind alle Schenkungsversprechen ohne notarielle Beurkundung unwirksam. Man könnte also dem Kassierer im Supermarkt schriftlich unter 100 Zeugen versprechen, ihm 1 Mio. Euro zu schenken. Erfolgreich einklagen könnte der zunächst vermutlich hocherfreute Kassierer die Erfüllung des Schenkungsversprechens jedoch nicht, da es an der notariellen Beurkundung fehlt, solange dem Kassierer die Million nicht sofort „in die Hand gedrückt“ wurde. Die Freude des Kassierers über das schriftliche Schenkungsversprechen in unserem Beispiel wäre also nur von kurzer Dauer.

2. Glücksspielverträge, §§ 762, 763 BGB

Die meisten haben sicher schon mal den Spruch „Wettschulden sind Ehrenschulden“ gehört. Dies entspricht auch der Gesetzeslage. Nicht jedoch, weil man besonders „ehrbar“ ist, wenn man Wettschulden hat. Nein, vielmehr sind Wettschulden nach § 762 BGB „Ehrenschulden“, weil eine Wette oder ein Spiel eine Verbindlichkeit nicht begründen kann. Jedoch Vorsicht: Das auf Grund der Wette Geleistete kann dennoch nicht mit der Begründung zurückgefordert werden, dass gar keine Verbindlichkeit besteht. Und Achtung: Ein Lotterievertrag oder ein Ausspielvertrag ist verbindlich, wenn die Lotterie oder die Ausspielung staatlich genehmigt ist.

3. Verlobung, § 1297 BGB

Die Verlobung ist ein Versprechen, die Ehe miteinander einzugehen und das gesamte Leben zusammen zu verbringen. Doch auch das Verlöbnis ist eine unvollkommene Verbindlichkeit. Entscheidet sich die Frau nach dem Verlöbnis um, und will doch nicht mehr heiraten, kann der Verlobte nur vergeblich auf Eingehung der Ehe klagen.

4. Heiratsvermittlung, § 656 BGB

Die Reglung im Glücksspiel ähnelt sehr der gesetzlichen Regelung zu Hochzeitsmaklerverträgen. Der Nachweis der Möglichkeit der Eheschließung kann keine Verbindlichkeit begründen. Diese gesetzliche Regelung vermeiden die einschlägigen Partnerschaftsbörsen dadurch, dass das Geld schon vorher für die reine Dienstleistung und Unterbreitung der Vermittlungsvorschläge geschuldet wird. Das bereits geleistete kann auch hier nicht zurückgefordert werden. Anders zu beurteilen sind sonstige Maklerverträge, etwa mit Immobilienmaklern. Ob und wann die Provisionen zu zahlen sind, hängt zwar vom Einzelfall ab. Jedoch entsteht durch einen wirksamen Immobilienmaklervertrag (im Gegensatz zur Heiratsvermittlung) ein echter einklagbarer Anspruch.

5. Verfügung über das Vermögen eines Ehegatten, § 1365 BGB

Auch durch bloße Eheschließung kann man in seiner eigenen Verfügungsbefugnis beschränkt sein, ohne es zu wissen. Denn § 1365 Abs. 1 BGB sieht vor, dass ein Ehegatte  sich nicht ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten kann, über sein gesamtes Vermögen zu verfügen. Ohne Zustimmung eingegangene Verpflichtungen können also nur wirksam erfüllt werden, wenn der Ehegatte in das Geschäft einwilligt. Das bedeutet, selbst wenn dem einen Ehegatten das Familienheim (oder ein beliebiger sonstiger Vermögensgegenstand) alleine gehört, kann der andere Ehegatte mitentscheiden, ob das Geschäft durchgeführt werden darf, soweit der Vermögensgegenstand das ganzes Vermögen des Verfügenden darstellt. Wer hier nicht gezwungen sein will, seinen Ehegatten um Zustimmung für ein solches Rechtsgeschäft zu bitten, hat aber die Möglichkeit, den § 1365 BGB ehevertraglich auszuschließen.

6. Formlose Grundstücks- und Gesamtvermögensgeschäfte, § 311b BGB

Ähnlich wie bei Schenkungsversprechungen und der Verfügung über Vermögen eines Ehegatten regelt § 311b BGB weitere Fälle, in denen eine mündliche oder gar schriftliche Vereinbarung zur Wirksamkeit des Geschäftes nicht ausreicht.

a) Ein Vertrag etwa, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ohne die Beachtung der Formvorschrift geschlossene Verträge werden nur dann wirksam, wenn Auflassung und Eintragung im Grundbuch tatsächlich erfolgen. Wird also ein Hausgrundstück über E-Bay angeboten und ist ein Interessent am Ende des Auktionszeitraumes mit 1,00 Euro Höchstbietender, so ist der Vertrag solange unwirksam, bis der Verkäufer das Grundstück im Rahmen einer notariellen Auflassung überträgt und der Erwerber im Grundbuch eingetragen wird (was beim Kaufpreis von einem Euro vermutlich nicht passieren würde). Eine Möglichkeit, den E-Bay-Anbieter der Immobilie klageweise zur Übereignung zu zwingen, gibt es hier nicht.

Dies steht im Gegensatz zu E-Bay-Geschäften über „Mobilien“, also beweglichen Sachen. Ginge es bei unserem eben geschilderten E-Bay-Fall nicht um ein Grundstück, sondern stattdessen um einen Porsche 911 turbo, bei dem die E-Bay-Auktion mit einem Höchstgebot von 1,00 Euro geendet hätte, wäre der Verkäufer (einklagbar) verpflichtet, den Wagen zum Kaufpreis von einem Euro zu übereignen. Der Anbieter hätte hier lediglich noch die Möglichkeit zu behaupten, er hätte sich bei Erstellung des Angebotes irgendwie geirrt, wobei er diese Behauptung dann auch beweisen können müsste (siehe hierzu auch meinen Beitrag zum Thema Vertragsschluss über E-Bay).

b) Sogar unheilbar nichtig ist das Versprechen, sein künftiges Vermögen, oder einen Teil davon an einen Dritten zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, § 311b Abs. 2 BGB. Die Verpflichtung, sein gegenwärtiges Vermögen ganz oder teilweise zu übertragen, ist zwar nicht nichtig, bedarf aber zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung, ähnlich wie beim Schenkungsversprechen.

Fazit:

Der Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ hat schon seine Berechtigung. Denn in den meisten Fällen trifft er auch zu, sodass der Vertragspartner auch seine Rechte aus dem Vertrag (notfalls gerichtlich) geltend machen und durchsetzen kann. Oft sind jedoch auch Formvorschriften einzuhalten, die den Vertragschließenden im Einzelfall ggf. aber gar nicht bewusst sind. Seltener kommt es sogar zu Verträgen, bei denen das Gesetz selbst schon gar nicht vorsieht, dass man die in dem Vertrag vereinbarten Pflichten erfolgreich gerichtlich durchsetzen können soll. Solche Verträge sind jedoch (zum Glück) die Ausnahme. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit eines Vertrages im konkreten Einzelfall, zögern Sie nicht, mich anzusprechen.

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