BGH: Kauf- und Schadenersatzrechtlicher Grundsatz bestätigt

03.05.2021 – 17:40 Uhr

„Fiktive“ Mängelbeseitigungskosten können weiterhin verlangt werden

Einen kaufvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln der erworbenen Sache kann man nach wie vor „fiktiv“, das heißt anhand der voraussichtlichen Kosten berechnen, ohne dass der Käufer die Kosten für die Mängelbeseitigung schon bezahlt haben muss.

Anspruch auf Schadenersatz

Schadenersatz kann aus den verschiedensten Gründen geschuldet sein. Zum Beispiel auf Grund Verkehrsunfalls, im Zusammenhang mit Miet-, Dienst-, oder Kaufverträgen sowie aus vielen, vielen anderen Gründen. Ein tatsächlicher Schaden ist stets eine der Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches. Meist besteht der Schaden in den Reparatur- oder Neuanschaffungskosten, in der bleibenden Wertminderung nach der Reparatur, oder den Heilbehandlungskosten bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit.

Doch schuldet der Schädiger nicht nur die Erstattung der Kosten, die bereits entstanden sind und vom Geschädigten bezahlt wurden. Vielmehr hat der Schädiger den Geschädigten meist auch von zukünftig entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem schädigenden Verhalten freizustellen. Bei Verkehrsunfällen z.B. kann der Schadenausgleich auch „fiktiv“ auf Grund eines Schadensgutachtens erfolgen. Der Schädiger hat sodann den Betrag zu zahlen, den das Gutachten für die Wiederherstellung des vorigen Zustandes (vor dem Schaden) veranschlagt hat. Der Geschädigte ist im Nachhinein hier auch nicht verpflichtet, den Schaden reparieren zu lassen.

Bestätigung durch BGH Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19:

Diesen allgemeinen Grundsatz (gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung) hat nun der Bundesgerichtshof in seinem Urteil aus März 2021 erneut bekräftigt.

Der Käufer erwarb hier von dem Verkäufer im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung. Wegen aufgetretener Feuchtigkeit an der Schlafzimmerwand verlangte der Käufer vom Verkäufer zunächst unter Fristsetzung außergerichtlich die Beseitigung des Mangels. Der Verkäufer weigerte sich jedoch. Mit der Klage verlange der Käufer von dem Verkäufer die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 7.972,68 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten; ferner soll gerichtlich festgestellt werden, dass der Verkäufer weitere Schäden ersetzen muss.

Die Instanzgerichte gaben dem Käufer recht, was der BGH später nochmal bestätigte. Danach kann der Käufer im Rahmen des sog. kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Eine Ausnahme gilt nur im Hinblick auf die Umsatzsteuer, die – wie auch im Delikts- und Werkvertragsrecht zuvor bereits üblich – nur ersetzt werden muss, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Anders ist es jedoch im Werkvertrags- und Architektenvertragsrecht. Diesbezüglich hat der V. Zivilsenat mit Entscheidung vom 13. März 2020 (V ZR 33/19) die damalige, gleichlaufende Rechtsprechung wegen Besonderheiten des Rechtsgebietes (insbesondere Vorschussrecht des Werkerstellers) aufgehoben.

Fazit:

Schuldet jemand Schadenersatz, z.B. auf Grund unerlaubter Handlung oder wegen mangelhafter Kaufsache, sind meist bereits die voraussichtlichen Kosten der Schadenbeseitigung zu ersetzen, und zwar unabhängig davon, ob man den Schaden tatsächlich beseitigen lässt.

Verbraucher-Widerrufsrechte und AGB-Regelungen

07.06.2021 – 18:04 Uhr

Hauptvertragsinhalt kann nicht durch AGB-Regelungen modifiziert werden

Gesetzliches Widerrufsrecht

Ein gesetzliches Widerrufrecht gibt es nicht bei allen Verträgen. Nur bei Verträgen, die in den §§ 355-361 BGB näher beschrieben sind. Geht man beispielsweise in einen Elektronik-Handel und kauft sich einen Fernseher, hat man kein Widerrufsrecht, sondern nur die gesetzlichen Mängelrechte und ggf. – wenn der Händler solche Rechte seinen Kunden zusätzlich vertraglich einräumt – eine Garantie oder eben ein 14-tägiges Rückgaberecht. Letzteres wird aber vom Händler höchstens freiwillig eingeräumt. Ein Recht darauf hat ein Kunde nicht.

Anders ist dies in Fällen, in denen das gesetzliche Widerrufsrecht gilt. In solchen Fällen wird der Verbraucher besonders geschützt, weil er die Ware nicht vorher in Augenschein nehmen kann, oder weil er in seiner Entscheidungsfreiheit allgemein eingeschränkt ist (Stichwort „Überrumpelungsgefahr“). Beispiele für ein gesetzliches Widerrufsrecht sind z.B. das Haustürgeschäft (bei Abschließen eines Vertrages in einer Situation, in der man normal nicht damit rechnen muss, in ein Verkaufsgespräch verwickelt zu werden) oder das Fernabsatzgeschäft (Vertragsschluss über Internet, Telefon oder ähnliche Mittel).

Der Unternehmer muss über ein bestehendes Widerrufsrecht in ausreichender Form belehren, sonst erweitern sich die Rechte zum Widerruf – insbesondere in zeitlicher Hinsicht – noch über das normale Maß hinaus.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Doch das Gesetz enthält in besonderen Fällen auch Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Z.B. kann sich ein Käufer von verderblicher Ware (z.B. Obst und Gemüse) nicht auf das 14-tägige Widerrufsrecht berufen. Dies wäre mit Blick auf die Interessen des Unternehmers unsachgemäß, da die Ware schneller verdirbt als das Widerrufsrecht laufen würde. Ausnahmen gibt es z.B. u.U. auch bei Software oder auch wenn der Verbraucher zustimmt, dass mit der vereinbarten Dienstleistung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird, und die Leistung im Zeitpunkt des Widerrufes bereits vollständig erfüllt wurde.

Aktuelle Entscheidung des BGH

Zu letzterem Fall hatte kürzlich der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein Partnervermittlungsvertrag wirksam widerrufen worden war und der Verbraucher Anspruch auf Erstattung der vereinbarten EUR 8.330,00 hatte.

Die betroffene Dame schloss in ihrer Wohnung einen Partnervermittlungsvertrag ab und wurde ordnungsgemäß über das bestehende Widerrufsrecht (Stichwort „Haustürgeschäft“ (s.o.) belehrt.

In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass der Unternehmer als „Hauptleistung“ 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten“ 10% des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Verbraucherin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass der Unternehmer mit seiner Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens des Unternehmers vollständig erfüllt sei.

Am selben Tag übermittelte der Unternehmer der Verbraucherin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Verbraucherin „kündigte“ daraufhin nach einer Woche den Vertrag, worin nach verständiger Auslegung die Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechtes zu sehen war.

Der Unternehmer machte geltend, das Partnerdepot erstellt und damit seine Leistung vollständig erbracht zu haben. Wäre die vollständige Erbringung der Hauptleistung gegeben, wäre das Widerrufsrecht an dieser Stelle bereits ausgeschlossen gewesen.

Der BGH gab der Verbraucherin Recht und verurteilte den Unternehmer zur überwiegenden Rückzahlung des Vermittlungshonorars.

Die Verbraucherin kann den Großteil des an den Unternehmer geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrauchervertrag geschlossen. Der von der Verbraucherin erklärte Widerruf war wirksam.

Das Widerrufsrecht der Verbraucherin war nicht ausgeschlossen, weil der Unternehmer zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung seine Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass er jedenfalls seine Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte. Dasjenige, was die Verbraucherin mit dem Vertrag erlangen wollte, hat sie nicht erhalten.

Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht des Unternehmers. Vielmehr ist für den Kunden des Unternehmers allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte der Unternehmer zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht.

Aus den AGB ergibt sich auch nichts Anderes. Zwar regelten die AGB, dass die Hauptleistungspflicht in der „Erstellung des Partnerdepots“ bestehe. Dies geht jedoch an der Realität vorbei. Daher ist diese Bestimmung wegen Verstoß gegen das AGB-Recht unwirksam, denn durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der eigentliche Vertragsgegenstand nicht verändert oder abweichend von den Tatsachen definiert werden.

Wertersatz für Teilleistung

Grundsätzlich ist es aber möglich, dass der Unternehmer einen Wertersatzanspruch für erbrachte Teilleistungen hat. Für die Berechnung dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Der Unternehmer hatte ein Honorar von EUR 8.330,00 für 21 Partnervorschläge berechnet. Nur drei der Vorschläge wurden erbracht. Die Vorinstanz hatte den anteiligen Wert der drei Vorschläge mit EUR 1.191,00 beziffert. Laut BGH hat der Unternehmer jedenfalls keinen Anspruch, der den von der Vorinstand ermittelten Betrag übersteigt. Selbst hat der BGH den tatsächlichen Wertersatz jedoch nicht berechnet. Dies war mit Blick auf den Prozess auch nicht nötig, da die Verbraucherin gegen den Abzug des Wertersatzes keine Anschlussrevision erhoben hatte.

Fazit

Besteht ein gesetzliches Widerrufsrecht ist der Verbraucher sehr weitreichend geschützt. Es gibt allerdings auch „Stolpersteine“, durch die er sein eigentlich bestehendes Widerrufsrecht verlieren kann. Der Unternehmer kann jedoch jedenfalls nicht einfach „stillschweigend“ in seinen AGB den Hauptzweck des Vertrages beliebig festlegen und sich dadurch den Ausschluss des Widerrufsrechts derart selbst „konstruieren“. Sind Sie unsicher, wann welche Rechte im konkreten Fall bestehen und wie und wann sie am besten geltend gemacht werden sollten, ist die Beratung durch den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens ratsam. Jedenfalls ist zu raten, dass man den Rechnungsbetrag im Zweifel zunächst nicht zahlen sollte, wenn man mit dem Gedanken der Ausübung eines Widerrufsrechtes spielt. Denn das Geld nicht zu zahlen ist meist nicht so aufwendig, als es wieder zurückzubekommen.