Gesetzliche Erbfolge und Möglichkeiten der Erbfolgegestaltung

24.08.2023 – 17:42 Uhr

Wie man sicherstellen kann, dass das Vermögen nach dem eigenen Tod in den „richtigen“ Händen landet.

Vermögensnachfolge ist ein großes Thema für alle, die sich während ihres Lebens etwas aufgebaut haben. Das durch „der eigenen Hände Arbeit“ – teilweise über Generation – aufgebaute Vermögen soll bewahrt und weitergegeben werden. Doch nicht an irgendwen! Die geschickte Steuerung der Erbfolge ist daher vielen – nicht zuletzt auch mit Blick auf eine möglichst steuergünstige Gestaltung – ein großes Anliegen.

Gesetzliche Erbfolge:

Das Gesetz hält zunächst eine allgemeine Erbfolge vor. Diese gilt, wenn vorher nichts Anderes seitens des Erblassers durch sog. letztwillige Verfügung (z.B. Testament) bestimmt wurde. Um wirklich zu erfassen, wie man die eigene Vermögensnachfolge gestalten möchte, lohnt es gegebenenfalls, sich die gesetzliche Konzeption zu vergegenwärtigen.

Die gesetzliche Erbfolge kategorisiert die möglichen Erben in unterschiedliche „Ordnungen“. Die Einordnung bestimmt, ob und wenn ja, zu welchem Anteil eine Person erbt.

  • Die Erben der ersten Ordnung (§ 1924) sind die Abkömmlinge des Erblassers.
  • Die der zweiten Ordnung (§ 1925) sind die Eltern und – wenn mind. ein Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (in erster Linie Geschwister des Erblassers)
  • Erben der dritten Ordnung (§ 1926) sind Großeltern und – wenn mind. ein Groß-Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (also in erster Linie Onkel/Tanten des Erblassers)
  • Erben der vierten Ordnung (§ 1928) sind Urgroßeltern und – wenn mind. ein Groß-Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (somit in erster Linie Groß-Onkel/Tanten des Erblassers)

Allgemein gilt für die Rangfolge, dass ein Verwandter solange nicht zur Erbfolge berufen ist, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung existiert (§ 1930). Solange es also lebende Kinder, Enkel, Urenkel des Erblassers (1. Ordnung) gibt, erben die Mitglieder der zweiten Ordnung – also Eltern und ggf. Geschwister des Erblassers – nichts. Gleiches gilt für die Rangfolge in derselben Ordnung. Solange also Kinder des Erblassers leben, erben die Enkel und Urenkel nach der gesetzlichen Konzeption (Stammhalterprinzip) nichts.

Der Ehegatte hat eine Sonderstellung in der Erbfolge (sog. Ehegattenerbrecht nach § 1931).

  • Neben Verwandten der ersten Ordnung erbt der Ehegatte zu einem Viertel.
  • Neben Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern erbst er zu ein Halb, wobei der den Anteil von verstorbenen Großelternteilen ebenfalls erhält.
  • Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung, noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.

Zusätzlich zu dem erbrechtlichen Anspruch hat der Ehegatte im Zweifel (jedenfalls wenn die Ehegatten zuvor im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben) einen Zugewinnausgleichsanspruch. Den Zugewinn kann er konkret berechnen, oder alternativ kann  er auch (wie allgemein üblich) den pauschalen Ausgleich nach § 1371 verlangen, wonach sein Erbteil um ein weiteres Viertel erhöht wird. Der Erbanteil ist – vorbehaltlich der Freibeträge – Erbschaftssteuerpflichtig, wobei der Zugewinnausgleich nicht der Erbschaftssteuer unterfällt.

Gerade bei der Gestaltung der Erbfolge sind die Regeln zum gesetzlichen Pflichtteil besonders zu beachten. Hier sind insbesondere zwei Ansprüche zu unterscheiden. Nämlich der Pflichtteilsanspruch (§ 2303) und der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2305).

  • Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten steht ein Pflichtteil zu (der mit der Hälfte des gesetzlichen Erbteils beziffert wird), wenn sie vom Erblasser enterbt wurden.
  • Wurde der Betroffene nicht ganz enterbt, wurde ihm jedoch nur ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann er als „Aufstockung“ von den Miterben den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen (Zusatzpflichtteil).
  • Hat der Erblasser zu Lebzeiten etwas an einen Miterben oder Dritten verschenkt, kann ein grundsätzlich Pflichtteilsberechtigter verlangen, dass der Wert der Schenkung im Rahmen einer fiktiven Erhöhung der Erbmasse berücksichtigt wird. Er kann dasjenige verlangen, was ihm an seinem fiktiven Pflichtteil fehlt, der sich ergeben hätte, wenn die Schenkung nicht erfolgt wäre (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Ist die Schenkung nicht an die Ehefrau erfolgt, ist die Schenkung jedes Jahr, in dem die Schenkung im Verhältnis zum Todesjahr des Erblassers weiter zurückliegt, etwas weniger zu berücksichtigen (Abschmelzung). Erfolgte die Schenkung an die Ehefrau, ist die Schenkung immer voll zu berücksichtigen.

Erbfolge-Gestaltung:

Grundsätzlich kann man eine Erbfolge durch Testament, Erbvertrag, Vermächtnis, etc. oder auch durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, wie die Gründung von Familiengesellschaften und Stiftungen etc. recht frei gestalten. Tatsächliche Grenzen werden oft durch die gesetzlichen Pflichtteilsregelungen aufgezeigt, die im Normalfall nicht einseitig durch den Erblasser ausgeschlossen werden können. Taktisch ist man mit Blick auf den Wunsch, die Vermögensnachfolge möglichst steuergünstig zu gestalten, an gewisse Vorgaben gebunden. Es ist ein komplexes Thema mit vielen „Stolperfallen“. Auch kommt es immer wieder vor, dass errichtete Testamente „in der Schublade“ nicht aufgefunden werden. Daher ist (auch wenn grundsätzlich möglich) DRINGEND ABZURATEN, ein Testament ohne Rechtsberatung oder Hinterlegung beim Nachlassgericht (s.u.) zu errichten.

Zunächst ist bereits die naheliegende Gefahr gegeben, dass ein handschriftlich errichtetes Testament im Todesfall gar nicht aufgefunden wird. Wird es aufgefunden, ist es leicht angreifbarer, da zunächst ermittelt werden muss, ob das Testament tatsächlich vom Erblasser stammt. Wichtig ist auch zu begreifen, dass die Wortwahl im Testament darüber entscheiden kann, ob nachher wirklich der Wille des Erblassers umgesetzt wird, oder doch ein Richter (wegen ungenauen Formulierungen) durch Auslegung zu entscheiden hat, was der Erblasser im Zweifel gemeint haben könnte. Je ungenauer die Formulierung, desto größer die Gefahr, dass nicht der eigentliche Wille des Erblassers umgesetzt wird.

IMMER ZU EMPFEHLEN ist es daher, (a) sich bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen rechtlich beraten und (b) das Testament (sei es notariell oder handschriftlich gefasst) im Zentralen Testamentsregister hinterlegen zu lassen. Die juristischen „Stolperfallen“ sollten mittels seriöser Rechtsberatung umgangen werden, um das vom Erblasser gewünschte Ergebnis bestmöglich zu verwirklichen. Auch sollte sichergestellt werden, dass das Testament tatsächlich aufgefunden wird und damit zur Geltung gelangt.

Gerade im Vergleich zur gesetzlichen Erbfolge-Konzeption lässt sich meist in kürzester Zeit ermitteln, wie sich der Mandant die eigene Vermögensnachfolge vorstellt. Die größtmögliche Flexibilität lässt sich im Zusammenwirken mit den potenziellen Erben erreichen, indem man von diesen einen notariellen Verzicht auf den Pflichtteil erbittet. Bei entspannten Familienverhältnissen lässt sich dies oftmals bewerkstelligen. So kann man ohne auf die Pflichtteilsthematik zu achten, das Vermögen optimal und unter geschickter Ausnutzung der Steuerfreibeträge gestalten.

Wichtig ist auch, ein einmal errichtetes Testament regelmäßig (mindestens alle fünf Jahre) auf Aktualität und darauf zu überprüfen, ob das Verfügte noch so gewollt ist.

Fazit:

Erbfolge und Erbfolgegestaltung ist ein komplexes Thema. Es sind viele verschiedene Aspekte aus verschiedenen Rechtsgebieten (ins. Familien- Erb- und Steuerrecht) zu beachten. Je mehr potenzielle Erben und Pflichtteilsberechtigte, desto komplexer muss die Gestaltung sein. Je größer das Vermögen, desto früher sollte man, insbesondere aus steuerlicher Sicht, mit der Nachfolgeplanung beginnen.