Rechtliche Tücken bei der Beratung von GbRs

insb. im Vergleich zwischen Steuer- und Gesellschafts- bzw. Erbrecht

I. Einführung

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist schnell und unkompliziert gegründet. Nötig ist nur, dass sich mindestens zwei Personen über einen gemeinsamen Zweck verständigen und diesen durch Beiträge der Gesellschafter verfolgen. Dies funktioniert gleichsam bei operativen und vermögensverwaltenden GbRs. Es ist allerdings Vorsicht geboten. Es sollte bei Gründung und Betrieb nicht allzu sorglos vorgegangen werden!

II. Problemstellungen / Dringende Empfehlungen

Auch wenn GbRs ohne einen schriftlichen oder textförmlichen Gesellschaftsvertrag gegründet und betrieben werden können, ist klarzustellen, dass das langfristige Betreiben einer GbR ohne rechtlich fundierten Gesellschaftsvertrag auf keinen Fall zu empfehlen ist.

Vermutlich 100 % der Mandanten und auch viele Steuerberaterkollegen sind sich nicht der enormen zivil- und steuerrechtlichen Fallstricke bewusst, wenn sich die Gesellschafter auf die Gesetzeslage im GbR-Recht verlassen und eben keinen ausdrücklichen Gesellschaftsvertrag schließen.

Insbesondere bei Immobilien-GbRs fielen in jüngster Vergangenheit vermehrt die tatsächlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Bewertung zwischen Gesellschafts- und Steuerrecht mit teilweise erheblicher Tragweite auf.

Durch die ab dem 01.01.2024 geltenden Änderungen des Personengesellschaftsrechtes (MoPeG) werden die hier thematisierten Fallstricke nur unzureichend beseitigt. Denn ab dem 01.01.2024 wird zwar der Tod eines GbR-Gesellschafters allein – anders als in der noch bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung – nicht mehr zur Auflösung der GbR führen, falls noch mindestens zwei Gesellschafter für die Weiterführung der GbR verbleiben. Doch auch ab dem 01.01.2024 bleibt der Grundsatz des Personengesellschaftsrechts bestehen, dass es für eine Personengesellschaft mindestens zwei Gesellschafter braucht. Verstirbt der vorletzte Gesellschafter, sieht auch das neue Recht die liquidationslose Auflösung der GbR qua Gesetz vor.

Allen GbR-Gesellschaftern und Beratern sei empfohlen, künftig im Zusammenhang mit GbRs im Allgemeinen und insbesondere mit Immobilien-GbRs auf folgende Aspekte besonders zu achten:

  • Es ist dringend bei ALLEN GbRs der Abschluss eines GbR-Vertrages zu empfehlen, der insbesondere vorsieht, dass die GbR nicht durch Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird und dass die GbR-Beteiligung des verstorbenen Gesellschafters auf dessen (ggf. qualifizierte) Erben oder Vermächtnisnehmer übergeht.
  • Im Übrigen ist dringend zu empfehlen, sicherzustellen, dass eine Immobilien-GbR auch tatsächlich (als GbR) im Grundbuch steht und nicht etwa die Gesellschafter der GbR privat.

III. Beispiele und Darstellungen im Einzelnen

A. Beispiel 1 (Grundfall):

Eine GbR besteht aus zwei hälftig beteiligten Gesellschaftern. Die GbR hat die gewerbliche Vermietung von Wohnraum zum Gegenstand. Einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt es nicht. Zusätzlich ist bemerkenswert, dass die Immobilie, auf deren Vermietung sich die GbR bezieht, laut dem Grundbuch nicht im Eigentum der GbR, sondern vielmehr in hälftigem Miteigentum der GbR-Gesellschafter („privat“) steht.

Bewertung:

Steuerlich ist es irrelevant, ob die GbR selbst im Grundbuch steht, oder ob die Gesellschafter je hälftig im Grundbuch stehen.

Zivilrechtlich hingegen ist die Eigentumszuweisung von erheblicher Relevanz. Praktische Auswirkungen entfaltet diese Beurteilungsdiskrepanz zwischen Steuerrecht und Zivilrecht insbesondere im Falle des Versterbens eines der Gesellschafter.

Idealfall des Zivil- und Gesellschaftsrechtes wäre es, wenn (a) das Grundstück im Eigentum der GbR steht, die GbR also im Grundbuch eingetragen ist und (b) ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existiert, in dem insbesondere geregelt ist, dass bei Versterben eines Gesellschafters die GbR nicht aufgelöst, sondern mit den Erben oder Vermächtnisnehmern des verstorbenen Gesellschafters fortgeführt wird.

In diesem Idealfall bliebe also die GbR bestehen und würde mit den Erben oder Vermächtnisnehmern des verstorbenen Gesellschafters fortgeführt. Es bedürfte im Übrigen auch keiner Übertragung des Immobilienvermögens (Notarkosten gespart), da die GbR nach wie vor als Eigentümerin der Immobilien existiert. Dies hat im Erbfall eine enorm gesteigerte Flexibilität der Hinterbliebenen zur Folge, wodurch auch steuerlich viel einfacher post mortem gestaltet werden kann. Die durch die Erben oder Vermächtnisnehmer fortgeführte GbR-Beteiligung kann auch u.U. der Betriebsverschonung nach § 13a ErbStG unterfallen.

ßà   Unser o.g. Beispiel 1 (kein GbR-Vertrag, GbR steht nicht im Grundbuch) hingegen ist der „Worst Case“. Denn ohne GbR-Vertrag können keine GbR-Anteile auf die Erben oder Vermächtnisnehmer übergehen. Im Übrigen wird die GbR im Falle des Todes eines Gesellschafters aufgelöst. Auch wenn anzunehmen ist, dass der eigentliche Wille der bisherigen Gesellschafter gewesen wäre, dass die GbR mit den Erben oder Vermächtnisnehmern fortgesetzt wird, kann dies insbesondere bei Immobilien-GbRs nicht in der für die Eintragung im Grundbuch erforderlichen Form nachgewiesen werden.

Wird die GbR durch Tod des vorletzten Gesellschafters qua Gesetz aufgelöst, führt dies dazu, dass das Vermögen der GbR auf die verbleibenden Gesellschafter anwächst (gesellschaftsrechtliche Anwachsung, KEIN Übergang nach Erbrecht, hierzu siehe auch unten „Beispiel 2“).

Steht das Grundstück nicht im Eigentum der GbR selbst, sondern im Eigentum der Mitgesellschafter, würde der überlebende Gesellschafter in unserem Beispiel 1 den eigenen Miteigentumsanteil behalten und der andere Miteigentumsanteil des verstorbenen Gesellschafters würde auf die Erben oder Vermächtnisnehmer übergehen, die nicht mit dem verbleibenden Mitgesellschafter identisch sein müssen. Dadurch entsteht schnell eine Situation, in der das Eigentum am Grundstück und die Gesellschafterstellung auseinanderfallen, was steuerrechtlich ggf. zu unerwünschten Folgen führen kann.

B. Beispiel 2 (Abwandlung):

Eine gewerbliche GbR hat zwei Gesellschafter, die miteinander verheiratet sind. Einen GbR-Vertrag gibt es nicht. Das Berliner Ehegattentestament sieht jedoch vor, dass der Längerlebende Ehegatte Alleinerbe wird. Der Ehemann verstirbt.

Bewertung:

Stirbt der Ehemann vorzeitig, wird die Ehefrau testamentarische Alleinerbin.

Dies gilt aber nicht für den GbR-Anteil ihres Mannes. Denn die GbR erlischt mit Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (woran sich auch ab dem 01.01.2024 nichts ändert, s.o.). Die Ehefrau erlangt das Vermögen also durch gesellschaftsrechtliche Anwachsung, nicht durch Erbrecht.

Das Vermögen der GbR fällt also nicht in den Nachlass des Ehemannes, was bedeutet, dass weder schenkungssteuerliche Freibeträge für den gesellschaftsrechtlichen Erwerb zur Verfügung stehen. Noch ist der Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt! In den Nachlass fällt nämlich hier nur der Abfindungsanspruch des verstorbenen Ehegatten wegen Ausscheiden aus der Gesellschaft, welcher nicht nach § 13a ErbStG begünstigt ist (Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, 66. EL Juli 2023 ErbStG, § 3 Rn 138).

Auch wäre es hier nicht möglich, durch etwa im Testament vorgesehene (Super-)Vermächtnisse GbR-Beteiligungen oder Vermögen der GbR unter Ausnutzung der Erbschaft-Steuerfreibeträge aus dem Vermögen des verstorbenen Ehegatten zu übertragen. Hierauf ist insbesondere auch zu achten, wenn der GbR steuerlich mehrere Grundstücke zugeordnet sind, aber die GbR nur bei manchen Grundstücken selbst als Eigentümerin im Grundbuch steht. Bei Tod des vorletzten Gesellschafters dürfen die verschiedenen Grundstücke daher weder zivil- noch steuerrechtlich einheitlich behandelt werden, sondern es bedarf der genauen Differenzierung!

IV. Fazit

Als Fazit ist daher dringend allen Mandanten und Rechts- sowie Steuerberatern zu raten (wenn erforderlich auch gerne penetrant), daraufhin zu wirken, dass jede (!) GbR (auch wenn es nur um die Bewirtschaftung einer einzigen Eigentumswohnung gehen sollte) einen gesellschaftsrechtlich fundierten Gesellschaftsvertrag aufsetzt, in der insbesondere die Fortsetzung der Gesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters sowie die Nachfolge in den Gesellschaftsanteil durch Erben oder Vermächtnisnehmer geregelt ist. Auch wenn das MoPeG ab dem 01.01.2024 – parallel zum Recht der OHG und KG – vorsieht, dass das Versterben eines Gesellschafters ohne anderweitige gesellschaftsvertragliche Regelung nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft führt, bietet die gesetzliche Neuregelung nach wie vor keine ausreichenden Sicherheiten für das Fortbestehen der Zwei-Personen-GbR. Daneben ist bei Immobilien-GbRs im Übrigen darauf zu achten, dass die GbR auch jeweils tatsächlich als Eigentümerin im Grundbuch steht. Anderenfalls kann es bei Versterben eines Gesellschafters zu bösen Überraschungen kommen.

Bei Fragen zum behandelten Thema oder sonstigen Anliegen sprechen Sie mich gerne an.

Check-Liste bei Geldforderungen (sog. „Inkassomandate“)

Was man im Vorfeld der Beauftragung eines Anwaltes bestenfalls schon getan haben sollte.

Einführung:

Sie haben eine Geldforderung und der Schuldner zahlt nicht? Was tun? Gleich zum Anwalt? Oder doch lieber selbst mahnen, aber in welcher Form? Reicht per eMail, oder doch lieber per Einwurf-Einschreiben oder besser Einschreiben mit Rückschein?

Welche Voraussetzungen müssen eigentlich gegeben sein, dass man die Zahlung tatsächlich verlangen, und dann auch durchsetzen kann? Und wie ist das mit der Erstattungsfähigkeit von Anwalts- und Gerichtskosten?

Dieser Beitrag möchte einen Überblick über die oben aufgeworfenen Fragen geben und insbesondere beantworten, was man im Vorfeld der Beauftragung eines Anwaltes bestenfalls schon getan haben sollte.

Kurz und knapp:

Ein Gläubiger möchte die ihm zustehende Zahlung vom Schuldner erhalten. Hierfür ist zunächst unerlässlich, dass der Schuldner noch existiert, mindestens aber einen Rechtsnachfolger hat.

Rechtlich ist weiter erforderlich, dass die Geld-Forderung auch tatsächlich entstanden und fällig ist und auch, dass sich die Forderung nicht (zB durch Zahlung oder Aufrechnung) erledigt hat.  Auch darf der Schuldner keine Einreden gegen die Forderung geltend machen (zB Verjährung). Will man einen erlittenen Schaden oder zur Geltendmachung der Forderung notwendige Aufwendungen (wie zB vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) vom Schuldner zusätzlich verlangen, setzt dies im Zweifel den Verzug des Schuldners voraus.

Tatsächlich ist Voraussetzung, dass der Schuldner überhaupt zahlungsfähig ist. Denn auch ein Gerichts-Urteil zu Gunsten des Gläubigers ist „nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben ist“, falls der Schuldner nicht genug Vermögen hat, die Forderung zu begleichen.

Zuletzt kommt es auch entscheidend darauf an, dass man den bestehenden Anspruch auch beweisen kann!

Unsere CHECK-LISTE zum download finden Sie hier!

Im Einzelnen:

1. Schuldner

Sie müssen die notwendigen Informationen über Ihren Schuldner kennen. Dies gilt insbesondere für die aktuellen Adressdaten, den Namen, Firma und Rechtsform sowie sonstige Informationen. Bei vertraglichen Ansprüchen findet man diese meist im Text des Vertrages oder auch im Impressum der Schuldner-Website, soweit vorhanden. Die Daten sind auf Aktualität zu prüfen. Bei Unternehmern kann, soweit eine Eintragung existiert, auch das Handelsregister zu Rate gezogen werden.

Insbesondere für eine gerichtliche Durchsetzung der Forderung ist eine zustellungsfähige Anschrift in Deutschland unerlässlich, da ein deutsches Gericht nicht im Ausland zustellen kann.

Stirbt der Schuldner, gehen die zum Todeszeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten grundsätzlich auf den oder die Erben über (Rechtsnachfolger). Ist der Schuldner eine Gesellschaft, gilt dies auch bei Umwandlungen der Gesellschaft. Umfirmierung und Sitzverlegung tangieren die vorher entstandenen Verbindlichkeiten ebenfalls nicht.

2. Fällige und durchsetzbare Forderung

Die Forderung muss entstanden und darf nicht wieder erloschen sein. Erlöschen könnte sie zB durch Erfüllung, Verzicht oder in sonstiger Weise, zB durch Aufrechnung. Das bedeutet (im Vertragsrecht), dass Gläubiger und Schuldner entweder die Zahlungspflicht ausdrücklich vereinbart haben müssen (zB Kaufpreiszahlung), oder sich die Forderung rechtlich auf eine andere Anspruchsgrundlage stützt, zB Schadenersatz, Minderung oder Rückabwicklungsansprüche (usw.).

Die Forderung muss auch fällig sein, dh. Der Schuldner muss die Zahlung auch bereits jetzt beanspruchen können. Manchmal hängt die Fälligkeit einer Forderung von einer vertraglichen Fälligkeitsvereinbarung ab (zB „Der Kaufpreis ist fällig am 01.01.2024“). Manchmal ist Voraussetzung für die Fälligkeit aber auch eine sonstige Handlung, zB die Erklärung einer Kündigung, des Rücktritts, der Minderung oder des Widerrufs, jeweils verbunden mit einer Zahlungsaufforderung.

An der Fälligkeit kann es ggf. fehlen, wenn die eigentlich schon fällige Forderung vom Gläubiger nachträglich gestundet wurde. Wurde sie auf bestimmte Zeit gestundet, ist dieser Termin abzuwarten. Wurde auf unbestimmte Zeit gestundet, müsste die Fälligkeit erst wieder durch Kündigung der Stundung – zB konkludent möglich durch erneute Zahlungserinnerung – wiederhergestellt werden.

Einwendungen gegen die Forderung sind von Rechtswegen zu berücksichtigen. Hierzu zählt zB die (teilweise) Erfüllung der Forderung, die u.a. auch durch wirksame Aufrechnung mit einer Gegenforderung eintreten kann. Die Beweislast für das Bestehen von Einwendungen trägt allerdings der Schuldner.

Sowohl das Bestehen der Forderung als auch deren Fälligkeit sollte der Gläubiger nachweisen können. Dies geht zB durch Vorlage der vertraglichen Grundlage (zB unterschriebener Vertrag) oder durch Benennung von Zeugen.

3. Nachweis des Zugangs

Hängt die Forderung, deren Fälligkeit oder der Schuldner-Verzug von dem Zugang einer Erklärung (zB Kündigung, Rechnungstellung, Mahnung) ab, hat der Gläubiger im Zweifel auch den Zugang beim Schuldner zu beweisen.

Zugang kann man am besten durch Einwurf-Einschreiben nachweisen. Beim Einschreiben/Rückschein kann der potenzielle Empfänger die Entgegennahme ablehnen oder das Einschreiben nicht bei der Post abholen. Dies geht beim Einwurf-Einschreiben nicht, da dort der Postbote die Übergaben oder das Einlegen in den Briefkasten auf dem Briefumschlag vermerkt und auch intern dokumentiert. Mit dem Einschreibebeleg kann man online über Post.de bis zu 3 Monate seit Gabe zur Post, den Status des Einschreibens abrufen. Der Schuldner sollte sich den Zugang (per screen shot oder durch Ausdruck) dokumentieren, um einen dauerhaften Nachweis für den Zugang vorlegen zu können. Alternativ kann auch ein Zeuge für den Zugang (nicht für die Gabe zur Post) angegeben werden.

Vorteilhaft ist auch immer die Kommunikation über eMail, soweit eine eMail-Adresse des Schuldners bekannt ist. Denn der Versand einer eMail hat jedenfalls starke Indizwirkung für die Annahme, dass die Nachricht auch zugegangen ist.

Zu beachten sind jedoch etwaige Formerfordernisse! Eine eMail kann zB keinem Schriftformerfordernis genügen. Ist im Vertrag zB geregelt, dass die Kündigung „schriftlich“ zu erfolgen habe, wäre eine eMail im Zweifel nicht ausreichend.

4. Sonstige Hindernisse, Insolvenz(reife), Verjährung

Der erfolgreichen Durchsetzung der Forderung können auch noch andere Hindernisse entgegenstehen. Oftmals ist der Schuldner schlicht nicht zahlungsfähig und hat keine pfändbaren Vermögensgegenstände. Hat man in dieser Lage einen gerichtlichen Titel (zB Urteil), hat man theoretisch 30 Jahre Zeit (Wirksamkeitsspanne des Urteils) für die Erfüllung der Hoffnung, der Schuldner „werde schon irgendwann wieder zu Geld kommen“. Dieser „Plan geht“ jedoch nur „auf“, solange über das Vermögen des Schuldners nicht das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, da dann die Forderung (mangels Sicherung) im Zweifel – wenn überhaupt – nur mit der Insolvenzquote zwischen 0-2 % erfüllt werden wird.

Liegt die erstmalige Fälligkeit einer Forderung schon Jahre zurück, könnte auch Verjährung eingetreten sein. Die Regelverjährung läuft drei Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem die Fälligkeit eingetreten ist und der Gläubiger von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat.

Beispiel: Vertragsschluss und Fälligkeit sind am 15.02.2023 erstmals gegeben. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt damit am 01.01.2024 und endet mit Ablauf des 31.12.2026. Die Forderung wäre damit am 01.01.2027 verjährt, falls die Verjährung nicht (zB durch laufende Verhandlungen der Parteien oder durch Zustellung einer den Anspruch betreffenden Klage beim Schuldner) gehemmt wurde oder (zB durch nachträgliche erneute Anerkenntnis der Schuld) neu begonnen hat.

5. Erstattungsfähigkeit von Anwalts- und Gerichtskosten, Verzug des Schuldners

Das Gesetz sieht grundsätzlich eine Erstattungsfähigkeit von Anwalts- und Gerichtskosten vor. Gerichtskosten fallen natürlich nur bei Inanspruchnahme des Gerichtes, nicht also bei vorgerichtlichen Streitigkeiten an. Im Klageverfahren trägt derjenige die Kosten, der unterliegt, also verliert. Verliert man teilweise, trägt man auch in dieser Quote die Kosten. Im gerichtlichen Verfahren geht es immer um die Gerichtskosten und die Anwaltskosten beider Seiten, die am Ende entsprechend der gerichtlich festgesetzten Kostenquote auszugleichen sind.

Außergerichtliche Kosten können nur erstattungsfähig sein, wenn die Voraussetzungen einer entsprechenden Anspruchsgrundlage vorliegen. In Betracht kommt hierbei meist ein Schadenersatzanspruch, oft derjenige des Verzuges. Will man als Gläubiger also zusätzlich zu seiner Forderung auch noch vorgerichtliche Anwaltskosten ersetzt haben, muss man im Zweifel darlegen und beweisen können, dass der Schuldner im Verzug der Leistung war. Im Vertrag kann man bei Vereinbarung einer „kalendermäßig bestimmten Fälligkeit“ mit aufnehmen, dass Verzug automatisch mit Ablauf des Fälligkeitstages eintritt. Hat man dies (wie meist) jedoch nicht vereinbart, bedarf es für den Verzugseintritt einer Mahnung. Der Verzug tritt mit Zugang (zum erforderlichen Nachweis s.o.) der einfachen Mahnung ein. Insoweit reicht es, wenn die Mahnung per Einwurf-Einschreiben versendet wird, um den genauen Verzugseintritt zu bestimmen.

Hat der Gläubiger jedoch viele Mahnungen an verschiedene Gläubiger zu versenden, können sich die Kosten für Einschreiben zu einem echten Kostenblock entwickeln, sodass viele Unternehmer auf den Versand von eingeschriebenen Mahnungen verzichten.

Der Zugang ist jedoch auch hier im Zweifel zu beweisen, weshalb auch eine Mahnung per eMail ein gangbarer Weg sein kann.

Alternativ kann man auch eine letzte Frist zu Zahlung setzten. In diesem Fall tritt die Fälligkeit mit Ablauf der Frist ein.

Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten ist zu beachten, dass nur die Gebühren nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) von der Gegenseite erstattet werden müssen. Geht die geschlossene Vergütungsvereinbarung über die gesetzlichen Gebühren hinaus, muss dies der Mandant selbst tragen.

Anwaltskosten für die „Verteidigung“ gegen (auch unbegründete) Forderungen Dritter sind übrigens im Zweifel nicht vom Anspruchsteller zu erstatten.

Fazit:

Das Glück ist oft mit denen, die gut vorbereitet sind. Der Gläubiger „tut gut daran“, alle nötigen Informationen und Belege im Vorfeld zusammenzutragen und insbesondere die Gegenseite schonmal durch Mahnung in Verzug zu setzen, bevor ein Anwalt mit der Sache betraut wird. „A und O“ ist am Ende u.a. die Beweisbarkeit der Ansprüche.Nach Erfüllung der beschriebenen Kriterien und Ablauf der dem Schuldner ggf. gesetzten Frist, steht der Beauftragung eines Anwaltes nichts mehr entgegen. Unsere CHECK-LISTE zum download finden Sie hier!

Dringende Empfehlung zur amtlichen Verwahrung aller Verfügungen von Todes wegen

Realisierung des Erblasserwillens hat höchste Priorität, weshalb „Schulbladen-Testamente“ zu vermeiden sind!

Der „Letzte Wille“ kann bekanntlich entweder mittels handschriftlichen Testaments, notariellen Testaments (in jeweils verschiedenen Varianten) sowie mittels Erbvertrags niedergelegt werden.

Im Erbfall entscheidend ist jedoch, dass die letztwillige Verfügung auch tatsächlich umgesetzt wird.

Handschriftliche Testamente „in der Schublade“ haben oft die Eigenschaft, dass diese entweder gar nicht oder durch die „falsche“ Person aufgefunden werden oder „verloren gehen“, auch wenn jede Person, verpflichtet ist, eine nach dem Erbfall aufgefundene Verfügung unverzüglich dem zuständigen Nachlassgericht zuzuleiten und eine Zuwiderhandlung sogar strafbewehrt ist. Im Ergebnis ist zweifelhaft, ob der Erblasserwille in einem solchen Fall tatsächlich zum Tragen kommen wird.

Es ist daher dringend zu empfehlen, die eigene letztwillige Verfügung – sei es Testament oder Erbvertrag – offiziell in amtliche Verwahrung zu geben. Dies hat den Vorteil, dass die erfolgte amtliche Verwahrung automatisch an das Zentrale Testamentsregister gemeldet wird. Sobald der Todesfall gerichtlich bekannt wird, wird das zuständige Nachlassgericht eine elektronische Abfrage beim zentralen Testamentsregister vornehmen, wodurch sichergestellt wird, dass die letztwillige Verfügung auch tatsächlich aufgefunden und umgesetzt wird.

Bei notariellen Testamenten und Erbverträgen ist der beurkundende Notar gesetzlich (§ 34 BeurkG) angehalten, die amtliche Hinterlegung vorzunehmen. Dies geschieht im Zweifel also automatisch. Jedoch besteht für den Erblasser auch die Möglichkeit, die amtliche Verwahrung auszuschließen, was zur Folge hat, dass die letztwillige Verfügung nur beim Notar selbst verwahrt werden muss. Da jedoch der Notar nicht zweifelsfrei vom Versterben des Erblassers Kenntnis erlangen wird, ist die Gefahr groß, dass die letztwillige Verfügung im Endeffekt – mangels Kenntnis – nicht zur Anwendung gelangen wird. Es ist daher dringend abzuraten, die amtliche Verwahrung auszuschließen.

Eine amtliche Verwahrung ist nicht nur bei notariellen letztwilligen Verfügungen, sondern auch bei handschriftlichen Testamenten möglich. Eigenhändige Testamente können bei jedem Amtsgericht in Verwahrung gegeben werden. Der Hinterlegende (und bei gemeinschaftlichen Testamenten auch jeder sonstige Erblasser) erhält einen offiziellen Hinterlegungsschein.

Die Kosten der amtlichen Verwahrung sind überschaubar. Lediglich entsteht eine Festgebühr in Höhe von EUR 75,00 zzgl. einer Registrierungsgebühr des zentralen Testamentsregisters von EUR 15,00, womit sämtliche Kosten inkl. der Benachrichtigung im Sterbefall abgedeckt sind.

Aber ACHTUNG: Die Rückgabe der letztwilligen Verfügung aus der amtlichen Verwahrung ist zwar jederzeit möglich, dies hat jedoch die Rechtsfolge, dass die Rücknahme einem Widerruf der letztwilligen Verfügung gleichzusetzen ist. Entsprechend können gemeinschaftliche Testamente nicht durch einen der Erblasser allein aus der Verwahrung genommen werden.

Fazit: Es besteht also die dringende Empfehlung zur amtlichen Verwahrung von allen Arten von Testamenten und Erbverträgen.

Bei Fragen zum behandelten Thema oder sonstigen Anliegen sprechen Sie mich gerne an.

Ungenauigkeiten im Testament können ungewollte Folgen haben!

19.04.2021 – 13:15 Uhr

Die Bezeichnungen der Begünstigten in einem Testament oder einer letztwilligen Verfügung sollten sorgsam und präzise gewählt werden. Sonst droht u.a. eine ungewollte Enterbung!

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.11.2020 – 3 Wx 198/20) entschied, dass mit der Bezeichnung „die Kinder“ als Begünstigte im Testament nur diejenigen Abkömmlinge gemeint sind, die zur Zeit der Testamentserrichtung im gemeinsamen Haushalt der Ehegatten leben.

Bei der Auslegung des Testamentes kommt es zwar entscheidend auf den wahren Willen der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserstellung an. Je ungenauer die Formulierung im Testament oder der letztwilligen Verfügung ist, desto mehr „Spielraum“ wird dem Gericht am Ende gelassen, wenn es über Streitigkeiten der potenziellen Erben zu entscheiden hat.

Im zu entscheidenden Fall ging es um die Auslegung eines gemeinsamen Testamentes eines Ehepaares einer Patchwork-Familie. Der Ehemann brachte eine Tochter und die Ehefrau zwei Kinder mit in die Ehe. Nur die Kinder der Ehefrau lebten mit im Haushalt des Ehepaares, zur Tochter des Ehemannes bestand nur wenig Kontakt.

Im gemeinsamen Testament der Eheleute setzten sich diese gegenseitig zu Erben ein, als Schlusserben nach dem letztversterbenden Ehegatten wurde im Testament die Bezeichnung „die Kinder“ verwendet, ohne die als Erben eingesetzten Personen genau zu bezeichnen.

Das OLG Düsseldorf hatte folgend zu entscheiden, ob die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht im Haushalt der Ehegatten lebende Tochter des Ehemanns auch als Erbin eingesetzt sei, oder durch das Testament quasi „enterbt“ wurde, also nichts bekommen sollte.

Das OLG entschied sich nach den Umständen des Einzelfalls dafür, dass die Tochter des Ehemannes nach dem Willen der Erblasser leer ausgehen sollte.

Fazit: Es ist immer besser, seine letztwillige Verfügung (z.B. Testament oder Erbvertrag) unmissverständlich zu fassen. Bei ungenauen Formulierungen besteht die Gefahr, dass es zu einem Ergebnis führt, welches zumindest einer der Erblasser nicht gewollt hat (ggf. sogar unbewusste Enterbung). Beispielsweise wäre es im vorliegenden Fall klarer gewesen, wenn die Ehegatten die Kinder, die Erben werden sollten, mit Namen benannt hätten, ggf. mit dem klarstellenden Zusatz, dass bei Vorversterben der benannten Erben, deren Abkömmlinge statt derer Erben werden sollen. Letztwillige Verfügungen sind also fehleranfällig und sollten daher nicht ohne vorige Rechtsberatung errichten werden.

VORSICHT bei Scheinverträgen – Sie sind null und nichtig. Das kann schwerwiegende Folgen haben!

26.04.2021 – 10:00 Uhr

Wird ein Vertrag zwischen den Parteien einvernehmlich nur zum Schein abgeschlossen, z.B. um das eigentlich gewollte zu verschleiern, ist der Vertrag insgesamt und von Anfang an nichtig.

Sind sich alle Parteien eines Vertrages einig, dass der Vertrag nur zum Schein („offiziell“) abgeschlossen wird, eigentlich („inoffiziell“) aber etwas Anderes gewollt ist, ist der Vertrag ungültig.  So regelt es § 117 BGB. Das heißt, dass man aus einem solchen Vertrag keine Rechte ableiten und entsprechend nicht erfolgreich vor Gericht einklagen kann.

Neue Rechtsprechung des BAG:

So hat es jüngst erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 14.10.2020 – 5 AZR 409/19) entschieden. Dort hatte das Gericht über einen Arbeitsvertrag zu entscheiden, der zwischen einer GmbH und einer „Angestellten“ geschlossen worden war. Die GmbH hatte zwei Gesellschafter, nämlich einen Vater und seinen Sohn. Bei der „Angestellten“ mit der diese GmbH den Arbeitsvertrag geschlossen hatte, handelte es sich um die Ehefrau bzw. Mutter der beiden GmbH-Gesellschafter. Der Vertrag war hier nur „pro forma“, „offiziell“ geschlossen worden, um Geld aus der GmbH an die Ehefrau und Mutter auszahlen zu können, ohne dass hierfür tatsächlich jemals eine Arbeitsleistung versprochen oder gefordert worden wäre. Entsprechend der oben beschriebenen Gesetzeslage stellte das BAG fest, dass der Arbeitsvertrag von Beginn an nichtig und unwirksam war.

Dies war nur aufgefallen, da die Ehefrau („Angestellte“) nach Veräußerung der GmbH an einen Dritten tatsächlich versuchte, offene „Arbeitslohnforderungen“ gegen die GmbH einzuklagen. Auf Grund der anfänglichen Nichtigkeit des Vertrages ohne Erfolg.

Die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages hat rechtlich nicht nur die Folge, dass die Ehefrau keinen weiteren Zahlungsanspruch hat. Die Folgen sind viel gravierender. Dadurch, dass nie ein Rechtsgrund für die Zahlung bestand, hat die GmbH – vorbehaltlich etwaig eingetretener Verjährung – einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich aller Beträge, die jemals auf Grund dieses nichtigen Vertrages ausgezahlt wurden. Auch hätte die GmbH den Arbeitslohn nie als Betriebsausgaben von dem zu versteuernden Gewinn absetzen dürfen. Es besteht daher die Gefahr einer Steuernachzahlungspflicht der GmbH. Ggf. sind sogar strafrechtliche Folgen (insb. wegen Steuerhinterziehung, Betrug) zu prüfen.

Ständige Rechtsprechung:

Zu Scheinverträgen existiert eine gefestigte Rechtsprechung. Ein üblicher Fall in diesem Zusammenhang ist beim Grundstückserwerb zu finden. Bekanntlich ist beim Erwerb eines Grundstückes grds. (jedenfalls bei Verträgen zwischen fremden Dritten) eine Grunderwerbssteuer zu zahlen. Die Höhe der Grunderwerbssteuer richtet sich nach der Höhe des Kaufpreises.

Nun hatten „erfinderische“ Menschen eine (nicht zu empfehlende) Idee, Grunderwerbssteuer zu „sparen“, indem sie im (für Grundstücksgeschäfte erforderlichen) notariellen Kaufvertrag einen geringeren Kaufpreis angaben, als den Kaufpreis, den die Parteien eigentlich untereinander (im Geheimen) vereinbart hatten. Die Differenz zwischen „offiziellem“ und „inoffiziellen“ Kaufpreis wurde sodann (unabhängig vom Notarvertrag) zusätzlich gezahlt.

Nur um dies ganz klar zu stellen, ist die im vorigen Absatz beschriebene Vorgehensweise zunächst einmal als (jedenfalls versuchter) Steuerbetrug strafbar! Entsprechend sollte schon deshalb dringend von diesem Vorgehen abgeraten werden!

Unabhängig davon hat dieses Vorgehen aber auch zusätzlich andere erhebliche nachteilige Folgen mit Blick auf das Scheingeschäft und die Wirksamkeit der Grundstücksübertragung:

Denn der notarielle Grundstückskaufvertrag ist mit Blick auf § 117 BGB als Scheingeschäft nichtig, da das Geschäft gemäß dem übereinstimmenden Willen der Parteien so (mit dem geringen Kaufpreis) gar nicht abgeschlossen werden sollte. Der Notarvertrag ist also nichtig. Die eigentliche Vereinbarung der Parteien (Grundstückserwerb zum höheren Kaufpreis) ist aber ebenfalls (form)nichtig, denn diese wurde nicht mit der gesetzlich vorgeschriebenen (notariellen) Form geschlossen.

Dies hat (neben der Strafbarkeit wegen Steuerbetruges) ebenfalls weitreichende zivilrechtliche Folgen, denn das Eigentum am Grundstück ist nicht auf den Erwerber übergegangen, selbst wenn der Erwerber im Grundbuch eingetragen worden sein sollte (falsches Grundbuch). Ein falsches Grundbuch birgt u.a. die Gefahr, dass der fälschlich als Eigentümer Eingetragene das Grundstück wirksam auf einen gutgläubigen Dritten übertragen kann. Das Grundstück ist also ggf. für den ursprünglichen Eigentümer für immer verloren, ohne dass er hierfür eine Gegenleistung erhalten hat. Denn den Kaufpreis aus dem nichtigen notariellen Vertrag kann er nicht verlangen. Er hat zwar ggf. einen Schadenersatzanspruch gegen den ersten „Käufer und Wiederverkäufer“, trägt jedoch dessen volles Insolvenzrisiko. Hat der „Käufer und Wiederverkäufer“ kein Geld, hat der ursprüngliche Eigentümer das Grundstück ohne Gegenleistung verloren.

Fazit:

Mit der Nichtigkeit von Scheingeschäften ist nicht zu spaßen, denn sie kann ggf. verheerende Folgen für alle Beteiligten haben. Je länger solche Verträge (scheinbar) bestehen, desto höher sind die Risiken, die von ihnen ausgehen. Dies kann bis zu existenzgefährdenden Haftungsansprüchen reichen, weshalb der bewusste Abschluss von Scheingeschäften auf keinen Fall zu empfehlen ist.

BGH: Kauf- und Schadenersatzrechtlicher Grundsatz bestätigt

03.05.2021 – 17:40 Uhr

„Fiktive“ Mängelbeseitigungskosten können weiterhin verlangt werden

Einen kaufvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln der erworbenen Sache kann man nach wie vor „fiktiv“, das heißt anhand der voraussichtlichen Kosten berechnen, ohne dass der Käufer die Kosten für die Mängelbeseitigung schon bezahlt haben muss.

Anspruch auf Schadenersatz

Schadenersatz kann aus den verschiedensten Gründen geschuldet sein. Zum Beispiel auf Grund Verkehrsunfalls, im Zusammenhang mit Miet-, Dienst-, oder Kaufverträgen sowie aus vielen, vielen anderen Gründen. Ein tatsächlicher Schaden ist stets eine der Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches. Meist besteht der Schaden in den Reparatur- oder Neuanschaffungskosten, in der bleibenden Wertminderung nach der Reparatur, oder den Heilbehandlungskosten bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit.

Doch schuldet der Schädiger nicht nur die Erstattung der Kosten, die bereits entstanden sind und vom Geschädigten bezahlt wurden. Vielmehr hat der Schädiger den Geschädigten meist auch von zukünftig entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem schädigenden Verhalten freizustellen. Bei Verkehrsunfällen z.B. kann der Schadenausgleich auch „fiktiv“ auf Grund eines Schadensgutachtens erfolgen. Der Schädiger hat sodann den Betrag zu zahlen, den das Gutachten für die Wiederherstellung des vorigen Zustandes (vor dem Schaden) veranschlagt hat. Der Geschädigte ist im Nachhinein hier auch nicht verpflichtet, den Schaden reparieren zu lassen.

Bestätigung durch BGH Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19:

Diesen allgemeinen Grundsatz (gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung) hat nun der Bundesgerichtshof in seinem Urteil aus März 2021 erneut bekräftigt.

Der Käufer erwarb hier von dem Verkäufer im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung. Wegen aufgetretener Feuchtigkeit an der Schlafzimmerwand verlangte der Käufer vom Verkäufer zunächst unter Fristsetzung außergerichtlich die Beseitigung des Mangels. Der Verkäufer weigerte sich jedoch. Mit der Klage verlange der Käufer von dem Verkäufer die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 7.972,68 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten; ferner soll gerichtlich festgestellt werden, dass der Verkäufer weitere Schäden ersetzen muss.

Die Instanzgerichte gaben dem Käufer recht, was der BGH später nochmal bestätigte. Danach kann der Käufer im Rahmen des sog. kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Eine Ausnahme gilt nur im Hinblick auf die Umsatzsteuer, die – wie auch im Delikts- und Werkvertragsrecht zuvor bereits üblich – nur ersetzt werden muss, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Anders ist es jedoch im Werkvertrags- und Architektenvertragsrecht. Diesbezüglich hat der V. Zivilsenat mit Entscheidung vom 13. März 2020 (V ZR 33/19) die damalige, gleichlaufende Rechtsprechung wegen Besonderheiten des Rechtsgebietes (insbesondere Vorschussrecht des Werkerstellers) aufgehoben.

Fazit:

Schuldet jemand Schadenersatz, z.B. auf Grund unerlaubter Handlung oder wegen mangelhafter Kaufsache, sind meist bereits die voraussichtlichen Kosten der Schadenbeseitigung zu ersetzen, und zwar unabhängig davon, ob man den Schaden tatsächlich beseitigen lässt.

Haftung der Eltern für und gegenüber den eigenen Kindern

10.05.2021 – 19:15 Uhr

Die Haftung der Eltern entscheidet sich an der Frage des Vorliegens einer Aufsichtspflichtverletzung

Jeder kennt das Schild mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“. Aber stimmt das tatsächlich? Antwort: So pauschal ist das nicht richtig. Worum geht es? Im Grundsatz haftet jeder nur für eigenes Verschulden. Es sei denn, es liegt eine Sondersituation vor.

Kinder haften bis zu ihrem siebten Geburtstag gar nicht für Schäden, die sie anderen zufügen. Wer das siebte, nicht aber das zehnte Lebensjahr vollendet hat, haftet grundsätzlich zwar selbst für sein Verschulden, nicht aber bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, Schienen- oder Schwebebahnen. Ist der Minderjährige zwischen 10 und 18 Jahre alt, haftet er im Zweifel unbeschränkt. Kinder und Jugendliche haben aber meist kein hinreichendes Kapital um ggf. bestehende Schadensersatzansprüche zu erfüllen.

Daher liegt es im Zweifel im Interesse des Geschädigten, auf das Vermögen der Eltern zugreifen zu können. Wie ausgeführt, haftet aber zunächst nur der Minderjährige persönlich. Doch es kann auch eine Haftung für Dritte (fremdes Verschulden) geben.

Haftung für fremdes Verschulden:

Nach § 278 BGB zum Bespiel haftet man für das Verschulden eines sog. Erfüllungsgehilfen, dem man sich zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit bedient hat, in gleichem Umfang wie eigenes Verschulden. Betreibt man also ein Geschäft und ein Angestellter verursacht in Ausübung seiner Arbeit einen Schaden bei einem Kunden, haftet der Geschäftsinhaber, als hätte er den Schaden selbst verursacht.  Ähnliches gilt nach § 831 BGB für deliktische Schäden (sog. Haftung für Verrichtungsgehilfen).

Doch dies nur zur Einordnung des eigentlichen Themas, nämlich der Haftung der Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Auch hier gilt derselbe Grundsatz, nämlich, dass man grundsätzlich nur für eigenes Verschulden haftet. Eine Sonderregelung für die Haftung der Eltern für das Verschulden ihrer Kinder sucht man im Gesetz jedoch vergeblich. Dies bedeutet, dass die Eltern eben nicht für (fremdes) Verschulden ihrer Kinder haften.

VORSICHT: Dies bedeutet aber nicht, dass die Eltern nicht doch im Zusammenhang mit Schäden haften können, die ihre Kinder verursacht, oder die die Kinder ggf. erlitten haben.

Haftung der Eltern für ihre Kinder:

Eltern können nämlich nach wie vor für eigenes Verschulden haften. Eigenes Verschulden der Eltern kann sich insbesondere aus einer Aufsichtspflichtverletzung gegenüber ihren Kindern ergeben.

Je jünger die Kinder sind, desto mehr Aufsicht benötigen sie. So weit so bekannt. Je älter die Kinder, desto mehr Eigenverantwortung kann und darf man ihnen zutrauen, ohne dass man direkt seine elterliche Aufsichtspflicht verletzt. Nehmen wir nochmal unser Beispiel mit dem an jeder Baustelle aufzufindenden Schild „Eltern haften für ihre Kinder“. Bei einem 3-jährigen Kind ist das Schild uneingeschränkt richtig, denn ein 3-jähriges Kind darf nirgends ohne Aufsicht hin und muss ständig an der Hand gehalten/überwacht werden. Insbesondere natürlich auch auf einer Baustelle. Anders z.B. bei einer 16-jährigen Jugendlichen. Ein Jugendlicher bewegt sich (jedenfalls tagsüber) völlig legitim ohne jede Aufsichtsperson umher. Hier beschränkt sich die Aufsichtspflicht der Eltern eher nur auf allgemeine Weisungen im Vorfeld, soweit ein Anlass für eine solche Ermahnung gegeben sein sollte.

So sind stets feine Abstufungen mit Blick auf das Alter der Kinder und Jugendlichen zu beachten. Ab einem gewissen Alter kommt es stets auch zusätzlich auf die Fähigkeiten und den Charakter des konkreten Minderjährigen an. „Vernünftigeren“ Minderjährigen kann insoweit mehr zugetraut werden, als den übrigen.

Neben dem Fall, bei dem die Eltern für die Kinder haften, kann es jedoch auch den Fall geben, dass die Eltern gegenüber ihren Kindern haften.

Haftung der Eltern gegenüber ihren Kindern:

§ 1664 BGB begründet bei einer Aufsichtspflichtverletzung einen Anspruch des Kindes gegen die Eltern. Aufsichtspflichtige dürfen Kinder ohne ausreichendes Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein keinen Freiraum geben, es sei denn eine ständige Kontrolle ist gewährleistet. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18.

Die Eltern besuchten mit ihrem 3-jährigen Kind ein Pferdeturnier. Während die Eltern sich am Biertisch unterhielten, kletterte das Kind in eine Pferdebox und wurde von einem Pferdehuf am Kopf getroffen. Zunächst zahlte zwar die Tierhalter-Haftpflichtversicherung des Pferdehalters, da der Tierhalter für durch sein Tier hervorgerufene Schäden grundsätzlich verschuldensunabhängig haftet. Doch die erhebliche Mitschuld der Eltern an dem Unfall führte dazu, dass die Eltern den Pferdehalter, den Turnierveranstalter und auch den entsprechenden Versicherer von jeglicher Haftung freizustellen hatte und die vom Versicherer bereits gezahlten Beträge von den Eltern zu erstatten waren. Insofern führte die Haftung der Eltern gegenüber dem eigenen Kind mittelbar dazu, dass sie sämtliche Kosten des Unfalles selbst zahlen mussten.

Fazit:

Eltern haften nicht pauschal und in jedem Fall für Schäden, die ihre Kinder verursacht haben. Im Gegenteil. Falls sie haften, ist der Anknüpfungspunkt der Haftung jedoch stets nur die eigene Aufsichtspflichtverletzung.

Gesetzliche Erbfolge und Möglichkeiten der Erbfolgegestaltung

24.08.2023 – 17:42 Uhr

Wie man sicherstellen kann, dass das Vermögen nach dem eigenen Tod in den „richtigen“ Händen landet.

Vermögensnachfolge ist ein großes Thema für alle, die sich während ihres Lebens etwas aufgebaut haben. Das durch „der eigenen Hände Arbeit“ – teilweise über Generation – aufgebaute Vermögen soll bewahrt und weitergegeben werden. Doch nicht an irgendwen! Die geschickte Steuerung der Erbfolge ist daher vielen – nicht zuletzt auch mit Blick auf eine möglichst steuergünstige Gestaltung – ein großes Anliegen.

Gesetzliche Erbfolge:

Das Gesetz hält zunächst eine allgemeine Erbfolge vor. Diese gilt, wenn vorher nichts Anderes seitens des Erblassers durch sog. letztwillige Verfügung (z.B. Testament) bestimmt wurde. Um wirklich zu erfassen, wie man die eigene Vermögensnachfolge gestalten möchte, lohnt es gegebenenfalls, sich die gesetzliche Konzeption zu vergegenwärtigen.

Die gesetzliche Erbfolge kategorisiert die möglichen Erben in unterschiedliche „Ordnungen“. Die Einordnung bestimmt, ob und wenn ja, zu welchem Anteil eine Person erbt.

  • Die Erben der ersten Ordnung (§ 1924) sind die Abkömmlinge des Erblassers.
  • Die der zweiten Ordnung (§ 1925) sind die Eltern und – wenn mind. ein Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (in erster Linie Geschwister des Erblassers)
  • Erben der dritten Ordnung (§ 1926) sind Großeltern und – wenn mind. ein Groß-Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (also in erster Linie Onkel/Tanten des Erblassers)
  • Erben der vierten Ordnung (§ 1928) sind Urgroßeltern und – wenn mind. ein Groß-Elternteil tot ist – deren Abkömmlinge (somit in erster Linie Groß-Onkel/Tanten des Erblassers)

Allgemein gilt für die Rangfolge, dass ein Verwandter solange nicht zur Erbfolge berufen ist, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung existiert (§ 1930). Solange es also lebende Kinder, Enkel, Urenkel des Erblassers (1. Ordnung) gibt, erben die Mitglieder der zweiten Ordnung – also Eltern und ggf. Geschwister des Erblassers – nichts. Gleiches gilt für die Rangfolge in derselben Ordnung. Solange also Kinder des Erblassers leben, erben die Enkel und Urenkel nach der gesetzlichen Konzeption (Stammhalterprinzip) nichts.

Der Ehegatte hat eine Sonderstellung in der Erbfolge (sog. Ehegattenerbrecht nach § 1931).

  • Neben Verwandten der ersten Ordnung erbt der Ehegatte zu einem Viertel.
  • Neben Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern erbst er zu ein Halb, wobei der den Anteil von verstorbenen Großelternteilen ebenfalls erhält.
  • Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung, noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.

Zusätzlich zu dem erbrechtlichen Anspruch hat der Ehegatte im Zweifel (jedenfalls wenn die Ehegatten zuvor im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben) einen Zugewinnausgleichsanspruch. Den Zugewinn kann er konkret berechnen, oder alternativ kann  er auch (wie allgemein üblich) den pauschalen Ausgleich nach § 1371 verlangen, wonach sein Erbteil um ein weiteres Viertel erhöht wird. Der Erbanteil ist – vorbehaltlich der Freibeträge – Erbschaftssteuerpflichtig, wobei der Zugewinnausgleich nicht der Erbschaftssteuer unterfällt.

Gerade bei der Gestaltung der Erbfolge sind die Regeln zum gesetzlichen Pflichtteil besonders zu beachten. Hier sind insbesondere zwei Ansprüche zu unterscheiden. Nämlich der Pflichtteilsanspruch (§ 2303) und der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2305).

  • Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten steht ein Pflichtteil zu (der mit der Hälfte des gesetzlichen Erbteils beziffert wird), wenn sie vom Erblasser enterbt wurden.
  • Wurde der Betroffene nicht ganz enterbt, wurde ihm jedoch nur ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann er als „Aufstockung“ von den Miterben den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen (Zusatzpflichtteil).
  • Hat der Erblasser zu Lebzeiten etwas an einen Miterben oder Dritten verschenkt, kann ein grundsätzlich Pflichtteilsberechtigter verlangen, dass der Wert der Schenkung im Rahmen einer fiktiven Erhöhung der Erbmasse berücksichtigt wird. Er kann dasjenige verlangen, was ihm an seinem fiktiven Pflichtteil fehlt, der sich ergeben hätte, wenn die Schenkung nicht erfolgt wäre (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Ist die Schenkung nicht an die Ehefrau erfolgt, ist die Schenkung jedes Jahr, in dem die Schenkung im Verhältnis zum Todesjahr des Erblassers weiter zurückliegt, etwas weniger zu berücksichtigen (Abschmelzung). Erfolgte die Schenkung an die Ehefrau, ist die Schenkung immer voll zu berücksichtigen.

Erbfolge-Gestaltung:

Grundsätzlich kann man eine Erbfolge durch Testament, Erbvertrag, Vermächtnis, etc. oder auch durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, wie die Gründung von Familiengesellschaften und Stiftungen etc. recht frei gestalten. Tatsächliche Grenzen werden oft durch die gesetzlichen Pflichtteilsregelungen aufgezeigt, die im Normalfall nicht einseitig durch den Erblasser ausgeschlossen werden können. Taktisch ist man mit Blick auf den Wunsch, die Vermögensnachfolge möglichst steuergünstig zu gestalten, an gewisse Vorgaben gebunden. Es ist ein komplexes Thema mit vielen „Stolperfallen“. Auch kommt es immer wieder vor, dass errichtete Testamente „in der Schublade“ nicht aufgefunden werden. Daher ist (auch wenn grundsätzlich möglich) DRINGEND ABZURATEN, ein Testament ohne Rechtsberatung oder Hinterlegung beim Nachlassgericht (s.u.) zu errichten.

Zunächst ist bereits die naheliegende Gefahr gegeben, dass ein handschriftlich errichtetes Testament im Todesfall gar nicht aufgefunden wird. Wird es aufgefunden, ist es leicht angreifbarer, da zunächst ermittelt werden muss, ob das Testament tatsächlich vom Erblasser stammt. Wichtig ist auch zu begreifen, dass die Wortwahl im Testament darüber entscheiden kann, ob nachher wirklich der Wille des Erblassers umgesetzt wird, oder doch ein Richter (wegen ungenauen Formulierungen) durch Auslegung zu entscheiden hat, was der Erblasser im Zweifel gemeint haben könnte. Je ungenauer die Formulierung, desto größer die Gefahr, dass nicht der eigentliche Wille des Erblassers umgesetzt wird.

IMMER ZU EMPFEHLEN ist es daher, (a) sich bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen rechtlich beraten und (b) das Testament (sei es notariell oder handschriftlich gefasst) im Zentralen Testamentsregister hinterlegen zu lassen. Die juristischen „Stolperfallen“ sollten mittels seriöser Rechtsberatung umgangen werden, um das vom Erblasser gewünschte Ergebnis bestmöglich zu verwirklichen. Auch sollte sichergestellt werden, dass das Testament tatsächlich aufgefunden wird und damit zur Geltung gelangt.

Gerade im Vergleich zur gesetzlichen Erbfolge-Konzeption lässt sich meist in kürzester Zeit ermitteln, wie sich der Mandant die eigene Vermögensnachfolge vorstellt. Die größtmögliche Flexibilität lässt sich im Zusammenwirken mit den potenziellen Erben erreichen, indem man von diesen einen notariellen Verzicht auf den Pflichtteil erbittet. Bei entspannten Familienverhältnissen lässt sich dies oftmals bewerkstelligen. So kann man ohne auf die Pflichtteilsthematik zu achten, das Vermögen optimal und unter geschickter Ausnutzung der Steuerfreibeträge gestalten.

Wichtig ist auch, ein einmal errichtetes Testament regelmäßig (mindestens alle fünf Jahre) auf Aktualität und darauf zu überprüfen, ob das Verfügte noch so gewollt ist.

Fazit:

Erbfolge und Erbfolgegestaltung ist ein komplexes Thema. Es sind viele verschiedene Aspekte aus verschiedenen Rechtsgebieten (ins. Familien- Erb- und Steuerrecht) zu beachten. Je mehr potenzielle Erben und Pflichtteilsberechtigte, desto komplexer muss die Gestaltung sein. Je größer das Vermögen, desto früher sollte man, insbesondere aus steuerlicher Sicht, mit der Nachfolgeplanung beginnen.

Verbraucher-Widerrufsrechte und AGB-Regelungen

07.06.2021 – 18:04 Uhr

Hauptvertragsinhalt kann nicht durch AGB-Regelungen modifiziert werden

Gesetzliches Widerrufsrecht

Ein gesetzliches Widerrufrecht gibt es nicht bei allen Verträgen. Nur bei Verträgen, die in den §§ 355-361 BGB näher beschrieben sind. Geht man beispielsweise in einen Elektronik-Handel und kauft sich einen Fernseher, hat man kein Widerrufsrecht, sondern nur die gesetzlichen Mängelrechte und ggf. – wenn der Händler solche Rechte seinen Kunden zusätzlich vertraglich einräumt – eine Garantie oder eben ein 14-tägiges Rückgaberecht. Letzteres wird aber vom Händler höchstens freiwillig eingeräumt. Ein Recht darauf hat ein Kunde nicht.

Anders ist dies in Fällen, in denen das gesetzliche Widerrufsrecht gilt. In solchen Fällen wird der Verbraucher besonders geschützt, weil er die Ware nicht vorher in Augenschein nehmen kann, oder weil er in seiner Entscheidungsfreiheit allgemein eingeschränkt ist (Stichwort „Überrumpelungsgefahr“). Beispiele für ein gesetzliches Widerrufsrecht sind z.B. das Haustürgeschäft (bei Abschließen eines Vertrages in einer Situation, in der man normal nicht damit rechnen muss, in ein Verkaufsgespräch verwickelt zu werden) oder das Fernabsatzgeschäft (Vertragsschluss über Internet, Telefon oder ähnliche Mittel).

Der Unternehmer muss über ein bestehendes Widerrufsrecht in ausreichender Form belehren, sonst erweitern sich die Rechte zum Widerruf – insbesondere in zeitlicher Hinsicht – noch über das normale Maß hinaus.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Doch das Gesetz enthält in besonderen Fällen auch Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Z.B. kann sich ein Käufer von verderblicher Ware (z.B. Obst und Gemüse) nicht auf das 14-tägige Widerrufsrecht berufen. Dies wäre mit Blick auf die Interessen des Unternehmers unsachgemäß, da die Ware schneller verdirbt als das Widerrufsrecht laufen würde. Ausnahmen gibt es z.B. u.U. auch bei Software oder auch wenn der Verbraucher zustimmt, dass mit der vereinbarten Dienstleistung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird, und die Leistung im Zeitpunkt des Widerrufes bereits vollständig erfüllt wurde.

Aktuelle Entscheidung des BGH

Zu letzterem Fall hatte kürzlich der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein Partnervermittlungsvertrag wirksam widerrufen worden war und der Verbraucher Anspruch auf Erstattung der vereinbarten EUR 8.330,00 hatte.

Die betroffene Dame schloss in ihrer Wohnung einen Partnervermittlungsvertrag ab und wurde ordnungsgemäß über das bestehende Widerrufsrecht (Stichwort „Haustürgeschäft“ (s.o.) belehrt.

In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass der Unternehmer als „Hauptleistung“ 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten“ 10% des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Verbraucherin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass der Unternehmer mit seiner Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens des Unternehmers vollständig erfüllt sei.

Am selben Tag übermittelte der Unternehmer der Verbraucherin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Verbraucherin „kündigte“ daraufhin nach einer Woche den Vertrag, worin nach verständiger Auslegung die Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechtes zu sehen war.

Der Unternehmer machte geltend, das Partnerdepot erstellt und damit seine Leistung vollständig erbracht zu haben. Wäre die vollständige Erbringung der Hauptleistung gegeben, wäre das Widerrufsrecht an dieser Stelle bereits ausgeschlossen gewesen.

Der BGH gab der Verbraucherin Recht und verurteilte den Unternehmer zur überwiegenden Rückzahlung des Vermittlungshonorars.

Die Verbraucherin kann den Großteil des an den Unternehmer geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrauchervertrag geschlossen. Der von der Verbraucherin erklärte Widerruf war wirksam.

Das Widerrufsrecht der Verbraucherin war nicht ausgeschlossen, weil der Unternehmer zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung seine Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass er jedenfalls seine Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte. Dasjenige, was die Verbraucherin mit dem Vertrag erlangen wollte, hat sie nicht erhalten.

Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht des Unternehmers. Vielmehr ist für den Kunden des Unternehmers allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte der Unternehmer zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht.

Aus den AGB ergibt sich auch nichts Anderes. Zwar regelten die AGB, dass die Hauptleistungspflicht in der „Erstellung des Partnerdepots“ bestehe. Dies geht jedoch an der Realität vorbei. Daher ist diese Bestimmung wegen Verstoß gegen das AGB-Recht unwirksam, denn durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der eigentliche Vertragsgegenstand nicht verändert oder abweichend von den Tatsachen definiert werden.

Wertersatz für Teilleistung

Grundsätzlich ist es aber möglich, dass der Unternehmer einen Wertersatzanspruch für erbrachte Teilleistungen hat. Für die Berechnung dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Der Unternehmer hatte ein Honorar von EUR 8.330,00 für 21 Partnervorschläge berechnet. Nur drei der Vorschläge wurden erbracht. Die Vorinstanz hatte den anteiligen Wert der drei Vorschläge mit EUR 1.191,00 beziffert. Laut BGH hat der Unternehmer jedenfalls keinen Anspruch, der den von der Vorinstand ermittelten Betrag übersteigt. Selbst hat der BGH den tatsächlichen Wertersatz jedoch nicht berechnet. Dies war mit Blick auf den Prozess auch nicht nötig, da die Verbraucherin gegen den Abzug des Wertersatzes keine Anschlussrevision erhoben hatte.

Fazit

Besteht ein gesetzliches Widerrufsrecht ist der Verbraucher sehr weitreichend geschützt. Es gibt allerdings auch „Stolpersteine“, durch die er sein eigentlich bestehendes Widerrufsrecht verlieren kann. Der Unternehmer kann jedoch jedenfalls nicht einfach „stillschweigend“ in seinen AGB den Hauptzweck des Vertrages beliebig festlegen und sich dadurch den Ausschluss des Widerrufsrechts derart selbst „konstruieren“. Sind Sie unsicher, wann welche Rechte im konkreten Fall bestehen und wie und wann sie am besten geltend gemacht werden sollten, ist die Beratung durch den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens ratsam. Jedenfalls ist zu raten, dass man den Rechnungsbetrag im Zweifel zunächst nicht zahlen sollte, wenn man mit dem Gedanken der Ausübung eines Widerrufsrechtes spielt. Denn das Geld nicht zu zahlen ist meist nicht so aufwendig, als es wieder zurückzubekommen.

Nachbarschafts-Streit am Gartenzaun

16.06.2021 – 17:16 Uhr

Recht zum Abschneiden überhängender Äste eines Baumes des Nachbarn auch wenn dadurch die Gefahr besteht, dass der Baum seine Standfestigkeit verliert.

Sachverhalt:

Viele kennen es aus eigener Erfahrung, oder haben zumindest schon mal davon gehört. Streit mit dem lieben Nachbarn kann zu vielerlei Anlässen entfacht werden. Ob Ruhestörung, Geruchsbelästigung oder sonstige Beeinträchtigungen des eigenen Wohnbereichs. Oft entfacht sich der Streit auch entlang des Gartenzauns. Vielleicht errichtet der eine ein Bauwerk, das dem Nachbarn nicht „passt“, oder der Nachbar lässt es zu, dass seine auf dem eigenen Grundstück stehenden Pflanzen ihre Zweige oder Wurzeln über den Gartenzaun reichen lassen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt verschiedene Vorschriften, die den Eigentümer einer Sache vor Beeinträchtigungen durch Dritte schützen. Wird das Eigentum dem Rechteinhaber entzogen, bietet § 985 BGB ein Herausgaberecht des Eigentümers, solange der aktuelle Besitzer kein Recht zum Besitz hat (der „Besitzer“ wird nur umgangssprachlich oft mit dem „Eigentümer“ gleichgesetzt. In der Rechtssprache bezeichnet man den, dem die Sache gehört als „Eigentümer“; denjenigen, der im Moment die tatsächliche Verfügungsgewalt inne hat, hingegen als (bloßen) „Besitzer“ – oft fallen die Eigenschaften Eigentum und Besitz jedoch auch in einer Person zusammen).

Geht es nicht um die Beeinträchtigung des Eigentums durch vollständige Entziehung, hält das Gesetz noch weiter Ansprüche (insb. Unterlassungsansprüche) zu Gunsten des Eigentümers bereit. In manchen Fällen kennt das Gesetz sogar sehr spezifische Ansprüche. In unserem heutigen Fall den § 910 BGB. Diese Art Recht wird als sog. „Selbsthilferecht“ bezeichnet.

§ 910 BGB regelt, dass der Eigentümer eines Grundstücks Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches sowie herüberragende Zweige, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten darf. Bei herüberragenden Zweigen muss der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks jedoch vorher eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt haben. Abschneiden ist nur erlaubt, wenn die Frist abgelaufen ist. Im Übrigen ist das Abschneiden von Wurzeln und Zweigen dem Eigentümer nur dann erlaubt, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks tatsächlich beeinträchtigen. Nicht störende Gewächse dürfen also auch nicht angerührt werden.

Urteil des Bundesgerichtshofes:

Zuletzt hatte der BGH (Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 234/19) erneut über einen Selbsthilfefall nach § 910 BGB zu entscheiden und stellte zwei Aspekte des § 910 BGB ausdrücklich fest. Nämlich (1), dass die Beeinträchtigung des Überwuchses nicht nur durch die Äste oder Wurzeln selbst, sondern auch durch mittelbare Folgen gegeben sein kann und (2), dass  der Überwuchs (sollte eine Beeinträchtigung vorliegen) auch dann vom Nachbar entfernt werden darf, wenn der Baum dadurch seine Standfestigkeit verliert.

Was war passiert:

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück des Einen steht unmittelbar an der gemeinsamen Grenze seit rund 40 Jahren eine inzwischen etwa 15 Meter hohe Schwarzkiefer. Ihre Äste, von denen Nadeln und Zapfen herabfallen, ragen seit mindestens 20 Jahren auf das Grundstück des Nachbarn hinüber. Nachdem der eine dem anderen Nachbarn erfolglos aufgefordert hatte, die Äste der Kiefer zurückzuschneiden, schnitt er überhängende Zweige selbst ab.

Der BGH betonte in seiner Entscheidung zunächst, dass auch mittelbare Folgen, wie der Abfall von Nadeln und Zapfen eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigungen im Sinne des § 910 BGB darstellen können (dies hatte der BGH bereits in seiner früheren Entscheidung vom 14. Juni 2019 (V ZR 102/18) festgehalten).

Wenn die Beeinträchtigung bestehe, so urteilte der BGH weiter, sei es nicht von Belang, ob der Baum durch die Ausübung des Rechtes seine Standfestigkeit verliere. Denn die Entfernung des Überhangs durch den Nachbarn ist für den Eigentümer des Baumes auch dann zumutbar, wenn dadurch das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.

Das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein, es unterliegt daher insbesondere keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung. Zudem liegt die Verantwortung dafür, dass Äste und Zweige nicht über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen, bei dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum steht; er ist hierzu im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks gehalten. Kommt er dieser Verpflichtung – wie hier – nicht nach und lässt er die Zweige des Baumes über die Grundstücksgrenze wachsen, dann kann er nicht unter Verweis darauf, dass der Baum (nunmehr) droht, durch das Abschneiden der Zweige an der Grundstücksgrenze seine Standfestigkeit zu verlieren oder abzusterben, von seinem Nachbarn verlangen, das Abschneiden zu unterlassen und die Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen.

Das Selbsthilferecht kann aber durch naturschutzrechtliche Regelungen, etwa durch Baumschutzsatzungen oder -verordnungen, eingeschränkt sein.

Fazit:

Beeinträchtigungen durch überhängende Zweige können auch mittelbar (zB durch herabfallende Pflanzenteile) gegeben sein und dadurch ein Selbsthilferecht des Nachbarn auslösen. Vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen kann der Nachbar von seinem Selbsthilferecht aus § 910 BGB in diesem Fall auch dann Gebrauch machen, wenn durch das Abschneiden überhängender Äste das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.