Die Geschäftsführung

09.07.2021 – 18:20 Uhr

Zwischen Gestaltungsmacht und Haftungsrisiko

Einleitung:

Geschäftsführung heißt persönliche Verantwortung für die Geschicke des Unternehmens zu übernehmen. Der Geschäftsführer behält den Überblick, leitet Angestellte an, trifft teilweise auch richtungsweisende Entscheidungen. Kurzum er steht an „vorderster Front“. Ihm werden im Zweifel sämtliche Erfolge aber auch Misserfolge des Gesamtunternehmens zugerechnet. Der Geschäftsführer trifft sämtliche Entscheidungen im üblichen Geschäftsgang, er vertritt die Gesellschaft sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich. Eine spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit ist dem Geschäftsführer so quasi garantiert.

Doch die weitgehende Handlungs- und Gestaltungsfreiheit im Namen des Unternehmens kommt mit verschiedenen Haftungsrisiken, derer sich jeder Geschäftsführer bewusst sein sollte. Insbesondere in der Krise oder Insolvenzreife der Gesellschaft ist Vorsicht geboten. Hier kann der Geschäftsführer schnell in die Haftungsfalle tappen, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Umfang der Geschäftsführungsbefugnis:

Dieser Beitrag beschäftigt sind vornehmlich mit der Rechtslage der GmbH. Andere Gesellschaftsformen (insbesondere Personengesellschaften wie OHG und KG) stehen auf abweichenden gesetzlichen Grundlagen. Bei der KG z.B. kann es keinen Fremd-Geschäftsführer (Geschäftsführer, der nicht gleichzeitig Gesellschafter ist) geben; auch die gesetzlichen Regeln zur Geschäftsführung und Vertretung weichen in ihren Grundzügen bereits von denen der Kapitalgesellschaften ab. Bei der GmbH sind Fremd-Geschäftsführer – im Gegensatz zu den Personengesellschaften – jedoch unproblematisch möglich und auch mehr als üblich. Nachfolgend liegt der Focus auf der GmbH (als Vertreterin der Kapitalgesellschaften).

Im normalen Geschäftsgang hat der Geschäftsführer der GmbH im Außenverhältnis (also ggü. außerhalb der Gesellschaft stehenden Dritten) unbegrenzte Vertretungsmacht. Im Namen der Gesellschaft kann dieser somit im Grunde jedes beliebige Geschäft abschließen. „Nach außen“ ist der Geschäftsführer nur bei sog. Grundlagengeschäften beschränkt, die alleine den Gesellschaftern vorbehalten sind. Nach außen kann nur bestimmt werden, ob ein Geschäftsführer alleine die Gesellschaft überhaupt vertreten können soll (sog. Einzelvertretungsberechtigung) oder ein Geschäftsführer die Gesellschaft nur mit einem andren Geschäftsführer gemeinschaftlich oder nur zusammen mit einem Prokuristen vertreten können soll (sog. Gesamtvertretungsberechtigung). Bei mehreren Geschäftsführern können manche Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt, andere aber nur gesamtvertretungsberechtigt sein. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, muss dieser jedoch zwingend einzelvertretungsberechtigt sein.

Im Innenverhältnis (d.h. mit Blick auf die Beziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter) sind jedoch mannigfaltige Spielarten möglich. Die Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich das höchste Organ der Gesellschaft (Ausnahme ist hier beispielsweise die Aktiengesellschaft (AG); deren Hauptversammlung hat eher einen geringen Einfluss auf die AG). Die Gesellschafterversammlung der GmbH, die die in Deutschland am meisten verbreitete Gesellschaftsform darstellt, kann jederzeit sämtliche Geschäfte der Gesellschaft „an sich ziehen“ und selbst bestimmten. Auch kann sie der Geschäftsführung verbindliche Weisungen erteilen, derer sich die Geschäftsführer nur in sehr geringem Maße widersetzen können. Gleichsam können die GmbH-Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis ihrer Geschäftsführer im Innenverhältnis weitgehend einschränken, auf eine bestimmte Region oder ein sachliches Einsatzgebiet beschränken und umfangreiche sog. zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte vorgeben, bei deren Vornahme stets die vorige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen ist. So kann – um nur eines von vielen Beispielen zu nennen – vorgegeben werden, dass allgemein der Abschluss von Verträgen mit einem Jahresvolumen von TEUR 50 stets der vorigen Zustimmung der Gesellschafter bedarf.

Beschränkungen im Innenverhältnis haben auf die Vertretungsmacht im Außenverhältnis keinen Einfluss. Verstößt der Geschäftsführer daher (ohne Kenntnis des dritten Vertragspartners) gegen eine interne Beschränkung und schließt einen Vertrag z.B. trotz eines Zustimmungsvorbehaltes ohne die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung ab, ist der Vertrag dennoch voll wirksam.

Auf Grund des Verstoßes gegen eine Beschränkung im Innenverhältnis besteht ggf. jedoch ein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer, soweit der Gesellschaft durch den Verstoß ein Schaden entstanden sein sollte. Hiermit kann problemlos zur nächsten Facette der Geschäftsführer-Tätigkeit übergeleitet werden.

Haftungsrisiko:

Der Geschäftsführer ist im Allgemeinen dem Gesetz, der Gesellschafts-Satzung (insbesondere auch dem Gesellschafts-Zweck) und den Weisungen der Gesellschafterversammlung verpflichtet.

Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines „ordentlichen Geschäftsmannes“ anzuwenden, wie es in § 43 Absatz 1 GmbHG heißt.

Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden, § 43 Absatz 2 GmbHG.

Natürlich haftet der Geschäftsführer nicht für jeden Fehlkauf von Handelsware oder ähnliches. Ob sich ein Rechtsgeschäft als (jedenfalls betriebswirtschaftlicher) Fehler herausstellt, entscheidet sich meist ohnehin erst im Nachhinein und ist von verschiedensten Faktoren abhängig, die der Geschäftsführer im Zweifel oft gar nicht beeinflussen kann (z.B. Konjunktur, geänderte gesetzliche Bestimmungen). Ob ein betriebswirtschaftlicher Fehler auch gleichzeitig eine Pflichtverletzung im Sinne des Schadensrechtes darstellt, orientiert sich daran, ob sich der Geschäftsführer bei seiner Entscheidung auf eine umfangreich recherchierte Faktenlage stützen konnte, oder nur „aus dem Bauch“ ohne Hintergrundwissen entschieden hat (sog. Business-Judgment -Rule).

Eine Haftung besteht grundsätzlich zunächst nur ggü. der Gesellschaft, also des Unternehmens. Eine direkte Haftung der Geschäftsführer für Schäden Dritter sieht das Gesetz nicht vor. Allerdings heißt dies nicht, dass die Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers seitens Dritter überhaupt nicht bestünde. Führt eine einzige Pflichtverletzung des Geschäftsführers, z.B. gleichzeitig zu einem Schadenersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihn selbst und gleichzeitig zu einem Schadenersatzanspruch eines Dritten gegen die Gesellschaft, hat der Dritte ggf. die Möglichkeit, in den Anspruch zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer zu vollstrecken um damit direkt und persönlich gegen den Geschäftsführer vorzugehen.

Außerhalb dieses Spezialfalls kommt es jedoch auch häufig zu der Situation, dass die Gesellschaft einen etwaig bestehenden Anspruch gegen den Geschäftsführer nie durchsetzt, der Geschäftsführer also nie persönlich für Pflichtverletzungen ggü. der Gesellschaft haftet. Dies kommt nicht zuletzt dann vor, wenn der Geschäftsführer gleichzeitig der Haupt-Gesellschafter der GmbH ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer). Denn fallen Gesellschafterstellung und Geschäftsführung in einer Person zusammen, wird der Allein-Gesellschafter natürlich nicht im Namen der Gesellschaft gegen sich selbst (als Geschäftsführer) vorgehen. Dies wird nicht passieren, weshalb viele Pflichtverletzungen von Geschäftsführern ohne schadenersatzrechtliche Konsequenzen bleiben.

Kritisch wird es nur in der Krise der Gesellschaft. Insbesondere wenn bereits Insolvenzreife eingetreten ist. Denn übernimmt erst ein Insolvenzverwalter die Geschicke der Gesellschaft, wird dieser jede mögliche Forderung der Gesellschaft geltend machen, auch gegen den vorigen Gesellschafter-Geschäftsführer. Insbesondere die neuen §§ 15a und 15b der Insolvenzordnung enthalten scharfe straf- und zivilrechtliche Folgen für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Handlungen und Unterlassungen insbesondere natürlich der Geschäftsführer der insolventen Gesellschaft. Neben der strafrechtlichen Dimension haften die Geschäftsführer z.B. für jede Zahlung, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife im Namen der Gesellschaft geleistet haben. Selbst die Einzahlung von Geld auf ein Bankkonto der Gesellschaft kann u.U. problematisch sein. Befindet sich das Bankkonto nämlich im Soll (also im Minus) und wird auf dieses Konto Geld eingezahlt, wird die Einzahlung zunächst mit der Forderung der Bank verrechnet. Dies führt zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse, die der Geschäftsführer persönlich zu ersetzen hat. Sollte daher nur der Verdacht der Insolvenzreife bestehen, ist jedem Geschäftsführer dringend (!) zu raten, sich fachkundigen Rechtsbeistand einzuholen. Denn Achtung: Die Insolvenzreife ist von jedem Geschäftsführer einer Gesellschaft selbständig zu prüfen. Selbst wenn der konkrete Geschäftsführer gar nicht für Finanzen, sondern intern für einen ganz anderen Bereich zuständig ist, muss er den Insolvenzstatus aus bloßem Eigeninteresse stets im Blick behalten, da er im Zweifel für jede Zahlung nach Insolvenzreife mithaftet.

Für verschiedene Haftungstatbestände bieten große Versicherer sogenannte D&O (Directors and Officers) Versicherungen an, die einen Teil der Haftungsrisiken der Geschäftsführungstätigkeit abdecken. Insolvenzhaftung ist jedoch hier oft ausgeschlossen, sodass die Versicherungsbedingungen stets kritisch zu prüfen sind.

Fazit:

Die Tätigkeit als Geschäftsführer bietet viel Spielraum und eine verantwortungsvolle Tätigkeit. Die Risiken, insbesondere Haftungsrisiken sowohl innerhalb und außerhalb der Krise, sollten jedoch jedem Geschäftsführer bewusst sein, um diese im Vorfeld und durch kluge Entscheidungen und Vorsorge so gering wie möglich zu halten. Bei Unsicherheiten sollte der Rechtsbeistand des Vertrauens befragt werden.

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